Zwei Beobachtungen

Ich war vor kurzem in einer Boutique mit dem Namen „forever 18“. Der Name lässt es ahnen: Hier werden vorwiegend Teenager-Klamotten verkauft, Zielgruppe ist weibliches Publikum. Der Laden war gerammelt voll, rings um mich herum stiegen Hormonwolken auf. Ich hatte mich bis zu diesem Augenblick noch nie so unglaublich unwohl in einem Laden gefühlt. Ich fühlte mich beobachtet; ich fühlte mich, als würde ich ganz fürchterlich auffallen. Irgendwie verständlich, ich war ja auch der alte Hahn im Korb, wenn nicht sogar der Älteste in diesem Hühnchennest. Das war allerdings nicht ganz richtig, ich beobachtete dort nämlich exakt zwei Kategorien Frau:
Mädels, die aussahen wie siebzehn, sich verhielten wie Siebzehnjährige und ohne Zweifel wirklich siebzehn waren. Und als Mädels „getarnte“ Frauen, die aussahen als wären sie gerne siebzehn, als hätten sie den dringenden Wunsch niemals aufgegeben, dass Gott und – vor allem – die Welt sie auch so sähen, es aber seit 30 Jahren schlicht und ergreifend nicht mehr sind, da helfen dann auch keine blondierten Zöpfe und kein Maracuja-Lipgloss mehr. Ich zweifelte an meiner Rolle als Hahnen-Altvorderer, fühlte mich von da an aber trotzdem kein Stück wohler.

iPhone SchmutzhülleDie zweite Beobachtung machte ich in einem Laden für Handyzubehör. Es war eine dieser Beobachtung die mir zeigen, dass es doch vorwärts geht mit der Gesellschaft. Und zwar ganz gewaltig, denn in diesem Handyzubehörladen gab es iPhone-Schutzhüllen, genauer gesagt feste Oberschalen aus Plastik, die auf die Rückseite des Mobiltelefons gesteckt werden, um es vor Kratzern zu schützen. Auf den Schalen waren künstliche Wassertropfen aufgesprüht. Also nicht bloß als Bild aufgedruckt, ein billiger visueller Trick, sondern richtige unechte Plastik-Wassertropfen. Das iPhone sieht damit aus, als hätte es draufgeregnet. Und das finde ich bemerkenswert: Menschen kaufen Schutzhüllen, um ihre Handys vor Wasser und Schmutz zu schützen und kleben dann auf diese Schutzhüllen wiederum künstliche Wasser- und Schmutzspuren drauf, damit die Handys in ihren Schutzhüllen aussehen, als seien sie voll Wasser und Schmutz. Das ist toll, ich würde diese Erfindung „Schmutzhüllen“ nennen. Sie bewirken, dass teure technische Alltagsgeräte, wie eben zum Beispiel das iPhone aussehen, als seien sie verdreckt bzw. verspritzt und räumen damit dem Besitzer die Möglichkeit ein, trotzdem ziemlich cool und gelassen zu wirken, während er mit seinem Mobiltelefon herumwedelt und bei Starbucks seinen Grande Latte Macchiato schlürft. Er weiß ja, was die anderen nicht sehen, nämlich: Eine Schmutzhülle schützt sein iPhone vor echtem Dreck, der künstliche Dreck ist Imitation.

Ist das das neue Dandytum? Ich weiß es nicht, der Trend erinnert mich aber stark an den „Vintage Look„, da sah die Mode durch künstliche Verunreinigung auch aus, als käme sie aus der Altkleidersammlung und nicht von Dolce & Gabbana. Schmutzhüllen liegen also im Trend. Das ist wie Fortschritt, bloß in die andere Richtung.

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