JUST ADD WATER
Allmählich haben wir uns akklimatisiert. Der Jetlag ist vorrüber und mit der Zeit wirds auch ganz lustig hier. Wenn man erst mal aufgehört hat, diese Nation ernsthaft verstehen zu wollen.
Sonntag, 08. März: Caterina, Flo und ich waren bei Wal-Mart einkaufen. Das ist ein Highlight, denn willst du wirklich viele viele dicke Amis sehen, dann geh zu Wal-Mart. Ungelogen: Im Durchschnitt ist hier jeder dritte Amerikaner stark bis massiv übergewichtig. Und ich meine wirklich extrem fett. Stämmige, mollige und fester proportionierte Menschen gibt es auch bei uns - das ist okay und bei Frauen bisweilen sogar recht sexy. Aber diese Massenbewegungen hier liegen weit jenseits von gut & böse.
Reist du nach Amerika, machst du eine Reise ins Land der Kuriositäten. Ich habe hier bisher nicht nur die fettesten Autos, die fettesten Portionen mexikanisches Essen und die fettesten Kübel Vanilleeis gesehen - hier leben definitiv die fettesten Menschen der Welt. Das sprengt bei mir jegliche Vorstellungen über das von der Natur gegebene maximale Volumen des menschlichen Körpers. Und woher kommen diese grotesken Formen? Zwei Dinge: Bewegungsmangel & Supersize.
Letzteres wurde uns bei Wal-Mart eindeutig vermittelt. Es gibt hier nahezu nur Großfamilien-Packungen. Alles ist Supersize: Bacardi in 2 Liter Flaschen, Eiscreme, Mayonaise, Senf und Gurken in 4-5 Liter Eimern, usw. Und von allem gleich wieder so eine unsäglich übermäßige Auswahl. Jedes Regal bei Wal-Mart ist mindestens 22 Meter lang. Vier Reihen davon sind jeweils übereiander angebracht. Macht also rund 88 Meter Ware pro Regal, randvoll mit diesen Über-Packungen. Ich will nicht maßlos übertreiben - es gibt auch kleinere Packungen. Diese sind jedoch ungleich teurer.
Die meisten Lebensmittel sind Design-Nahrungskomponenten, also fertig zubereitet oder instant. Selbst der Teig für Pfannenkuchen, der ja wirklich kein Höchstmaß an kulinarischer Fingerfertigkeit verlangt, gibts als Instant-Pulver. Und auf jeder zweiten Packung wird man darauf aufmerksam gemacht, wie einfach die Zubereitung ist. "Just add water!", einfach nur Wasser hinzufügen - fertig. Es gibt wirklich verdammt ekliges Zeug, z.B. eine Sprühpizza, die auf einem bereits fertigen Teig einfach nur aufgesprayt wird.
Preislich sind die Waren meistens teurer als in Europa. Die Plaketten bei den Obst und Gemüseauslagen enthalten zusätzlich ein paar interessante Angaben. So findet man dort Kurzinformation über die Frucht oder das Gemüse, das angeboten wird, wie man es zubereitet und es am besten lagert.
Noch eine weitere Angabe auf abgepackten Lebensmittel ist wichtig: real. Vieles ist hier nämlich nicht echt. Es gibt z.B. "real Bacon" - echter Speck von echten Tieren - und "Bacon", der zwar nach Speck aussieht, nach Speck riecht und nach Speck schmeckt, jedoch kein echter Speck ist.
Samstags waren wir in den Arizona-Mills, eine von vielen Malls in der Nähe von Phoenix. Die Malls hier sind in etwa vergleichbar mit dem OEZ in München oder dem KaDeWe in Berlin, nur halt ein wenig grösser. Geben tut es nahezu alles und von allem gleich richtig viel. Nach dem siebten Laden jedoch, der genau wie alle anderen mit einer Auswahl von mindestens 34 Fantastilliarden Sportschuhen protzt, schaltet das alteuropäische Konsumhirn vorsichtshalber ab und es interessiert einen nicht mehr, wo es wie viel Rabatt gibt. Ganz besonders fatal, wenn dann noch jedes zweite Geschäft ein Schuhladen ist und man einen Schuhfetischisten wie meine Schwester dabei hat.
Ausgefallenes gab es eigentlich nicht. Einzige Abwechslung war ein Hawaii-Shop und der "A Dollar-Shop", wo es alles für einen Dollar gab, das wenigste davon jedoch brauchbar und geschmackvoll war.
Vom Innenleben der Mall habe ich nicht viele Bilder geschossen - bei den kritischen Blicken der Sicherheits-Beamten war mir das nicht ganz geheuer. Aber wie gesagt, jeder der ein großes Einkaufszentrum kennt, kann sich das in etwa vorstellen.
Bei den Malls gibt es allerdings Variationen. Zumeist sind es überdachte Konsumtempel, riesige Multiplexe mit dem kompletten Warenbedarf für alle Käuferschichten. Die Arizona Mills waren recht kitschig und vom Angebot her eher etwas für den gemeinen Pöbel. Sonntags waren wir allerdings in einer weiteren Mall, dem Biltmore Fashion Park. Hier fanden wir ein "gehobeneres" Ambiente - begrünte Anlagen, kleine Gassen unter freiem Himmel, recht ruhig und nicht sonderlich überlaufen - allerdings auch gehobenere Preise. In den Arizona Mills gab es vermehrt Discounter, im Fashion Park waren es zumeist nur Nobelläden.
Was man den Amerikanern nicht absprechen kann, ist der stets zuvorkommende Service. Der Junge vor dem mexikanischen Restaurant am Freitag, der die Leute einwies war stets darum bemüht, dass man schnell zu seinem Tisch kam. Die Bedienung im Restaurant selbst war sehr freundlich. Und auch in der Mall am Samstag war das so. Generell wirst du immer höflich begrüßt und gefragt, ob alles in Ordnung ist, wie es dir geht, ob dir etwas fehlt oder geholfen werden kann. Das ist wirklich sehr nett, man findet dieses Verhalten jedoch nur in den Dienstleistungsbereichen, wo man etwas von dir will. Sobald nichts dabei rumkommt, interessiert sich auch keiner mehr für dich. Die soziale Ader ist nur vereinzelt ausgeprägt.
Sonntags wanderten wir nach dem Shoppen in die Camelback-Mountains, unweit vom Zentrum Phoenix. Anfangs war der Weg noch befestigt und in den Boden getriebene Holzplanken fungierten als Treppenersatz. Später dann wurde es extrem steil und wir brachen den Marsch zum Gipfel ab, da wir von unserem Schuhwerk her nicht gerade passend ausgerüstet waren. Die Aussicht über die gesamte Ebene war aber bereits auf halbem Weg recht imposant. Das Land, wie auch die Luft hier ist sehr trocken, die Sonne brutal intensiv und eine stark rotgefärbte Erde zeugt von einem hohen Eisenanteil. Sieht so ein bisschen aus wie auf dem Mars.
Man ist halt ganz einfach in der Wüste und das verwundert mich. Schaut man sich in der Stadt um, so findet man überall bewässerte Grünflächen, Seeanlagen, Springbrunnen und Wasserläufe. Richtet man den Blick hinter die Grenzen der Stadt, so sieht man eine trockene, verdorrte Landschaft. Die Ausbeutung des Grundwassers ist immens und an vielen der Häuser, die hier kreuz und quer in die Landschaft gestellt werden, ist ein kleiner künstlicher See angelegt. Massive Verschwendung von Ressourcen - aber das interessiert den gemeinen Amerikaner nicht.
Flo hatte dafür einen passenden Vergleich, der auch schön die Mentalität dieses Volkes widerspiegelt:
In Deutschland sucht man sich einen See und baut dort sein Haus. In Amerika baut man sich sein Haus und danach den dazugehörigen See.