ÜBER STOCK & STEIN
Das Wochenende ist vorbei und ein volles Programm liegt hinter uns. Und endlich bekamen wir etwas richtig sehenswertes vor die Linse, für das es sich lohnt in dieses Land zu kommen: die Natur.
Montag, 15. März: Wer wissen will, warum Amerika Kriege führt, der fährt am besten an eine Tankstelle. 45 Euro-Cent kostet hier der Liter Sprit. Und das ist auch gut so, denn schließlich hat jeder Amerikaner das von Gott gegebene Recht ein Auto zu fahren, das mit einmal kräftig Gas geben so viel Benzin verbrennt, wie mein Lupo für die Strecke Erde - Mond und wieder zurück benötigt.
Bevor wir unsere Reise letzten Freitag ins zwei Stunden entfernt gelegene Sedona antraten, wollte der Pontiac - unser Neuzeit-Mulie - mit Sprit versorgt werden. Und das nicht zu knapp. Aber hey, wir sind hier in Amerika, wen kümmerts?
Das Hinterland und die Region um Phoenix zu erkunden war eine der besten Ideen, die wir seit dem Tag unserer Ankunft hatten. "Historisches" hatten wir ja bereits aber da stinken die Amerikaner ziemlich ab. Richtig prahlen können sie mit ihrer Natur und das vollkommen zu Recht.
Alleine schon die Weiten der Landschaft sind unglaublich. In Deutschland kommt man bei einer Stunde Fahrzeit mindestens an drei Tankstellen und 15 Käffern vorbei. Hierzulande fährt man eine Stunde über endlos lange Interstates und es kommt nichts - wirklich, gar nichts. Nur Büsche, Sträucher, Steppe, Kakteen - bis zum Horizont, soweit das Auge blickt. Und das einzige Lebewesen, das uns innerhalb von 120 Meilen begegnete, war eine Kuh.
Sedona - auch aufgrund der bedrohlich in den Himmel ragenden roten Felsen das Red Rock Country genannt - liegt im Verde-Tal in Zentral-Arizona auf rund 1500 Metern über dem Meeresspiegel und gilt als Mekka für Künstler und Schriftsteller. Der Name des Gründervaters könnte glatt aus einem Slapstick von Hape Kerkeling stammen. Die Stadt wurde nämlich von einem gewissen Herrn R.C. Schnebly auf den Namen seiner Frau getauft, der 1902 zu Ehren seiner Gemahlin das örtliche Postamt nach ihr benannte.
Doch bevor wir uns der imposanten Landschaft widmeten, statteten wir Jerome einen Besuch ab. Das auf dem "Cleopatra Hill" gelegene ehemalige Goldgräber-Städtchen trägt den Beinamen "City in the Sky" - die Stadt in den Wolken und das Panorama, das sich einem dort oben bietet, ist sehr beeindruckend.
Jerome selbst ist eine original erhaltene Stadt aus den Zeiten des wilden Westens, allerdings ohne Kommerz, Tand und Kitsch, wie viele andere Western-Städte. Früher sorgte hier die "Gold King Mine" für einen florierenden Handel und reges Treiben. Mit dem versiegen der letzten Goldadern verschwanden die Menschen jedoch so schnell, wie sie kamen. Heute leben in Jerome von den einstmals 15.000 Einwohnern gerade noch 100, die zusammen als sehr rege Künstler-Gemeinschaft mit kleinen Läden und Galerien die Besucher anlocken. Aber auch sonst bekamen wir einen recht bildhaften Eindruck von dem Leben vor hundert Jahren.
Das Wetter war an diesem Wochenende recht unbeständig und ganz langsam krochen dicke schwere Wolken über die Berggipfel, die nichts gutes verhießen und uns tatsächlich auf dem weiteren Weg zu den Red Rocks nach Sedona ein wenig Regen bescherten.
Sedona ist so ziemlich genau das Gegenteil von Jerome, das stellenweise wirklich alt und verlassen aussah. Das hier war nun ein reines Touristen-Kaff mit zig Geschäften, die vermehrt Andachts-Schnickschnak anboten. Recht häufig entdeckte ich dort den "Kokopelli", einer mystischen, Flöte spielenden Figur der Indianer. Wir schlenderten kurz durch die Einkaufs-Passagen und machten uns auf den Weg zu einem der großen roten Felsen.
Rein per Zufall gelangten wir so zur "Church of the Holy Cross" - einer Kirche, die auf einem Plateau stand, mit einer grandiosen Sicht auf das Umland. Kräftiger Wind blies uns fast die Haare vom Kopf und ein älterer Herr war so freundlich, von uns dreien ein Bild zu machen.
Natur lässt sich immer recht schwer beschreiben, Bilder sagen ganz besonders hier mehr als tausend Worte. Und so habe ich denn auch reichlich geknippst, wenn auch die wirkliche Tiefe auf den Fotos nicht voll zur Geltung kommt. Die großen Panorama-Bilder muss ich allerdings erst noch fertig zusammen basteln.
Nach unserem Besuch der Red Rocks und einer knapp zweistündigen Fahrt zurück nach Goodyear legten wir einen Zwischenstopp bei einer Mall ein - den "Outlet Anthems" - wo sich Caterina Schuhe zum Joggen kaufte, was in der Regel immer eine halbe Stunde länger dauert, als die sonst üblichen 40 Minuten Auswahlverfahren bei regulären Schuhen. Aber ich wartete geduldig vor dem Laden und hätte auch ohne Probleme weitere 40 Minuten für ein zweites Paar gewartet, wenn die Beschallung nicht so scheußlich gewesen wäre. Celine Dion, Bryan Adams und ganz ganz seichtes Pop-Gedudle aus den Lautsprechern ließen die Warterei zur Qual werden. Und ich weiß jetzt, warum die Musik in den Malls immer so grausam ist: Die Konsumenten sollen nicht zum verweilen angehalten, sondern schnellstmöglich wieder in die Shops getrieben werden.
Das war Freitag. Samstags beliessen wir unsere Erkundungstour bei dem Besuch von Tempe, dem Studentenviertel von Phoenix, das mit vielen kleinen Bars und Cafés zum Ausruhen einlädt. Die Geschäfte dort sind angenehm alternativ, wenngleich auch recht teuer. Lediglich die Jumbos, die über diesem Viertel ihre direkte Einflugschneise zum Phoenix International Airport haben, krachen sehr tief mit lautem Getöse über die Dächer. Und hernach ging es - ratet mal - genau, in eine Mall, die Arizona Mills.
Sonntags stand eine Wanderung zu den White Tank Mountains an. Diese Felsformation liegt im Region Park von Phoenix, in dem man auch fabelhaft im freien Grillen kann. Es war brutal heiß an diesem Tag und siedende Hitze trieb uns das Wasser auf die Stirn. Ziel der Wanderung war ein in einer Schlucht gelegener Wasserfall, von dem allerdings gar kein Wasser fiel - zu trocken. Und nach dem Trip ging es - jahaa - in eine Mall. Das heisst, es sollte in eine Mall gehen, denn gefunden haben wir sie nicht. Letzten Endes hatte dann auch keiner von uns mehr Lust und wir zogen die Dusche als Abkühlung gegenüber der Klimaanlage unseres Autos vor, um diesen schweisstreibenden Tag ausklingen zu lassen.
Jetzt ist es Montag. Die Woche hat einen Anfang gefunden und wird allerdings auch bald ein Ende nehmen. Ein paar Tage bleiben uns noch. Wir genießen das Wetter, die Landschaft und die Amerikaner, die immer wieder durch ihre Kuriositäten zum schmunzeln anregen - vereinfacht gesagt. Noch lasse ich mir die Sonne Arizonas auf den Bauch scheinen. Aber in Gedanken sitze ich schon wieder im Flugzeug. Ziel: kaltes Europa.