Der Sommer dringt von überall her. Heute, und da besteht kein Zweifel, kam er ganz gewaltig. Schwer bereits in den Morgenstunden, vertrieb er die zarte Kühle der Nacht gleich vom Start weg mit drückenden Temperaturen. Die Luft in der Stadt stand still, selten nur ein Luftzug. Und noch seltener brachte dieser Erfrischung. Jeder U-Bahn die einfuhr, ging ein Schwall stickiger, muffiger Luft voraus, trieb sie in den Schächten vor sich her, bis sie über die Wartenden hereinbrach. Und trotzdem riecht es nach Sommer. Überall. Fein, kräftig, stinkend, lieblich – alles dabei. Es riecht in der Bahn, nach Menschen, die schwitzen und sich schon zu lange gegenseitig auf der Pelle sitzen. Alles kommt zusammen, Deodorant vermischt mit Schweiss, salzig und penetrant. Verblasstes Parfum, das nur noch eine enfernte Ahnung an die eigentliche Note übrig lässt. Der Geruch von Gummi und Metall, das ausdünstet und von der Sonne den Tag über versengt wurde. Es riecht nach Druckerschwärze, frittiertem Fisch, Reinigungsmittel, Maschinenöl, Pfeiffentabak, Frauenparfum. Es riecht nach mehr. Ich kann nicht sagen, ob es gut riecht oder schlecht riecht, als ich in der S-Bahn stehe und mir die Menschen reihum anblicke. Ich kann nicht sagen, ob ich angewidert oder angetan bin von diesen komplexen Gerüchen. Ich jedenfalls finde, dass es nach Sommer riecht.
Die Geruchskulisse ändert sich. Ich steige aus der Bahn, gehe zu meinem Auto, fahre mit geöffneten Fenstern raus aus der Stadt, durch das Land. Ich bin schnell, die Luft ist kühl, sehr angenehm. Sie drückt sich durch meinen Wagen, flattert vorbei, es poltert in den Ohren. Ich richte meine Nase in den Wind, hole tief Luft und empfinde Ekstase pur. So würzig und lieblich, so blumig, erdig und frisch, so verheissungsvoll und so stumm schreiend nach mehr umschmeichelt nur der Duft des Sommers meine Nase.