Warum der Hausrat alter Menschen soviel Tand und Kitsch beherbergt? Früher dachte ich, das liege daran, dass im Alter allmählich das Gespür für Stil verloren geht. Ganz heimlich, still und leise sich der gute Geschmack verflüchtigt. Mitsamt der Sehkraft. Und der Familie. Ich liege daneben und weiß jetzt: Anstand und gute Erziehung tragen im wesentlichen Schuld daran.
Dass sich im Hausrat alter Menschen eine so überwältigende Menge komplett sinn- und nutzloser Gegenstände ansammelt liegt nicht etwa an ihrer senilen Gedankenflucht. Die Verwandten und Freunde meinten es ja schließlich nur gut, als sie ihren Müttern und Vätern, Onkel und Tanten und weitschichtigen Verwandten dritten Grades den Plunder ins Haus stellten. Und obwohl sie diesen ganzen Schmarrn auf den Tod nicht ausstehen konnten (bis er doch frühe Gnade walten ließ und sie aus der Kuriositätenkabinettshölle erlöste), sagten sie dennoch artig „Schön!“ und nickten mit dem Kopf und stellten den Kram in der Wohnung auf. Aus Anstand oder eben: guter Erziehung. „Man kann das doch nicht wegwerfen. Oder weiter verschenken, so viel Mühe wie er sich damit gemacht hat.“
Jetzt mein Appell an die Herrschaften älteren Semesters: Doch, man kann! Man kann diesen ganzen Firlefanz wegwerfen. Und man sollte auch! Getrost und ohne Reue. Verschenken sie selbst, was sie selbst nie geschenkt bekommen haben wollten. Schenken sie sich frei!
Sicher machen sie sich damit zum Mittäter, sie reihen sich ein in die Kette der skrupellosen Mistverschenker. Diesen Sachen, die niemand braucht und haben will aber trotzdem zeitlebens in der Wohnung bleiben, verstauben und kostbaren Platz wegnehmen. Also raus mit den blaugetupften, klobigen Ton-Weinbechern, die schon immer zu schwer und rau waren, um daraus ordentlich zu trinken und so hässlich, dass man sich bei jedem neuen Besuch in Grund und Boden schämte. Raus mit der Mini-Replik einer Messing-Kanone (Maßstabsgetreu!), die man eh nur mit einem mühsam kaschierten Schmerzlächeln entgegennahm. Befreien sie sich von diesem ganzen Mist! Lassen sie ein wenig die Zügel des Anstandsgauls los, geben sie nach, damit sich die Einstellung der Gesellschaft zu ihren Raumausstattungskompetenzen zum Besseren wandelt. Sie und ihre Wohnung können davon nur profitieren.