Warum ein zu viel an Inhalten krank macht
Das Internet wird mit Inhalten aller Art absolut überschwemmt. Massiv und jederzeit. Dies scheint zu einer neuen „Währung des Reiches“ geworden zu sein – viel hilft viel. Je nachdem, auf welcher Ebene der Informationsdichte du dich befindest (es gibt bessere und schlechtere), können es 10-15 Blogs sein, von denen dir gesagt wurde, dass du sie lesen sollst, 200-400 Leute, von denen dir gesagt wurde, dass du ihnen auf Twitter „folgen musst“. Oder du verbringst unzählige Stunden auf Seiten von Unternehmen, die regelmäßig Webinare und Podcasts teilen, Tonnen von Slideshow und Videos von Konferenzen bereitstellen, die ein solch hohes Informationslevel haben, dass dein gesunder Menschenverstand gar nicht hinterherkommt. Willkommen bei der Mehrheit der Internetbevölkerung!
Versteht mich nicht falsch, vielleicht sind 60-70 Prozent dieser Inhalte schädeldeckensprengend fantastisch. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass dich 80 Prozent davon nicht direkt etwas angehen. Du könntest nun 20 Prozent wertvolle Informationen aus 80 Prozent dieser Beiträge ziehen. Wenn du deine Produktivität, so wie ich, nicht vom Paretoprinzip abhängig machst, wirst du schnell feststellen, dass diese Herangehensweise nicht besonders effizient ist.
Es gibt einen Echoraum von Informationen in nahezu jeder Ebene und wenn du die Tür öffnest wirst du zwar von allem etwas erfahren, aber nichts richtig. Und das führt dich nirgendwo hin.
„Lesen, ab einem gewissen Alter, lenkt den Geist zu sehr von seiner kreativen Beschäftigung ab. Jeder Mensch, der zu viel liest und sein eigenes Gehirn zu wenig benutzt, fällt in eine faule Gewohnheit des Denkens.“
– Albert Einstein
Der obligatorische Aufzählungsteil
Folgende Probleme tauchen auf, wenn du dich mit zu vielen Inhalten beschäftigst:
- nichts davon bleibt hängen
- dein Filter von Signalen gegenüber Lärm lässt nach
- die kreative Fähigkeit des lateralen Denkens nimmt ab, wenn du versuchst, Handlungen aufgrund von Informationen auszuführen, die du nur gelesen hast
- du hörst auf, Fragen zu stellen
- es ist geradezu süchtigmachend
Ich elaboriere
Zu viele Inhalte konsumieren, dass nichts davon hängen bleibt
Grundsätzlich lässt sich wenig positives aus diesem Verhalten des Überschuss gewinnen, es sei denn, du stärkst deine Nervenbahnen mit jedem Stück Inhalt, dass du liest und wendest es direkt auf eine gegebene Situation an.
„Nervenbahnen“ sind im Grunde nichts anderes wie Links in deinem Gehirn, durch die du zu verschiedenen Themen Informationen beziehst. Je mehr Assoziationen du zu einem bestimmten Thema hast, desto stärker werden diese Nervenbahnen.
Das ist im Wesentlichen das Kernprinzip hinter dem psychotherapeutischen Ansatz der Neuro-Linguistischen Programmierung (oder NLP), die z.B. von Tony Robbins angewandt wird.
Wenn du aktiv nach Informationen zu einem bestimmten Thema suchst, hat die Bildung einer entsprechenden Nervenbahn bereits begonnen, die eine Verbindung zu diesem Thema herstellt. Hast du die Information, nach der du gesucht hast erst einmal gefunden, entsteht eine weitere Nervenbahn, die zu dem Ort verweist, wo diese Information gefunden wurde. Jetzt weißt du also, wohin die Information verweist. Sobald du das, was du gelernt hast anwendest entsteht eine weitere Nervenbahn, die sich auf das Wissen bezieht, wie etwas funktioniert hat, wie jemand darauf reagiert, wie es sich angefühlt hat, wie es ausgesehen hat, usw. Je mehr Nervenbahnen du erschaffst, desto lebendiger und nachhaltiger wird die Erinnerung in deinem Gehirn bleiben.
Konkret bedeutet das: Überfliege nicht einfach alles, was in deiner Timeline oder bei deiner Recherche auftaucht. Stelle Fragen und suche nach Antworten. Wenn du die Antworten, nach denen du suchst nicht finden kannst, bietet sich dir eine wunderbare Gelegenheit, diese Lücke zu füllen.
Dein Filter von Signalen gegenüber Lärm lässt nach
Wenn du zu viele Inhalte verfolgst, wirst du bald allem, was du liest zustimmen, anstatt es radikal zu hinterfragen. Wer überall gleichzeitig ist, ist nirgendwo richtig. Stelle alles in Frage! Teste es, zerlege es, wende die selben Ideale auf verschiedene Probleme an. Schau, was funktioniert und was davon irrelevant ist.
Wenn du alles ungefragt akzeptierst, wird sich die Spirale weiterdrehen. Du wirst bald nicht nur damit aufhören selbst zu denken, du wirst auch dem, was andere sagen einfach blind hinterherlaufen. Diese Leute sind nicht zu dem geworden, was sie sind, indem sie anderen bloß folgten. Sie hatten eine konkrete Frage, eine Ahnung, eine Idee, probierten diese aus, setzten es in Aktion um und hatten ein Ergebnis. Sie lernten, indem sie etwas taten.
Die kreative Fähigkeit von lateralem Denken nimmt ab, sobald du Aktionen anwendest, die nur aus deiner „was du gelesen hast“ Datenbank stammen.
Laterales Denken (Querdenken) ist absolut entscheidend für den Erfolg in einer Welt, in der einzigart sein bedeutet, wahrgenommen zu werden. Sich abheben, Dinge wild zusammen würfeln und Wellen schlagen, können den Unterschied zwischen Erfolg oder Misserfolg bedeuten. Lass dich nicht davon gefangen halten, nur innerhalb des Rahmens deines Wissens zu denken. Dinge anzuwenden, die zunächst vielleicht etwas unorthodox erscheinen führen oftmals zur Lösung der Probleme von Morgen.
Du hörst auf, Fragen zu stellen
Ganz einfach: Mach das nicht! Fragen zu stellen ist für gedankliches Wachstum lebenswichtig. Wenn du dich an deine frühe Schulzeit zurückerinnerst, gab es immer ein Kind in der Klasse das nach allem gefragt hat. Überprüfe das mal und schau nach, wo dieses Kind von damals heute steht. Die Menschen erleben ein soziales Stigma, wenn sie fühlen, dass Fragen stellen gleichgesetzt wird mit Dummheit. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.
Fragen stellen ist ein Zeichen für Wissensdurst. Du willst Details verstehen, an denen du wirklich interessiert bist. Ich hoffe, dass du solch ein Kind warst, das alles hinterfragt hat, auch wenn es dir damals zur Schulzeit bestimmt nicht leichtgefallen ist. Ich wette, heute bist du stolz darauf.
Du musst nach deinen Informationen suchen und sie vollständig erfassen. Wenn du dir nur Informationen eintrichtest, weil es eine soziale Norm ist oder weil es von dir erwartet wird… was wird dir das geben? Und vor allem: Was wird dir davon bleiben?
Es ist geradezu süchtigmachend
Ja, natürlich ist es einfacher, etwas blind zu folgen als aktiv nach etwas zu suchen und Fragen zu definieren, die man stellen will. Von zehn Personen, die man vor die Wahl stellt, werden neun den einfachen Weg wählen. Wenn aber diese eine Person ihr Ziel erreicht hat, wird er oder sie stärker und wissensreicher geworden sein.
Das Suchtpotential des gedankenlosen Durchsuchens von Informationen wird weitestgehend unterschätzt. Wie ist es sonst anders zu erklären, dass Fox News, NBC, ZDF heute journal, usw. solch große Fangemeinden hat?
Sie entwickelten eine stark meinungsvorgebende, oder
wortwörtlich eigensinnige Seite, indem sie konstant Inhalte raushauen, die genau diesen Prinzipien folgen: Die jeweilige Gefolgschaft gegeneinander zu polarisieren und somit zu dem Glauben verleiten, ihre Seite hätte zu einem bestimmten Thema die einzige, ultimativ gültige Antwort parat. Das erfolgt in den deutschen Medien noch nicht ganz so drastisch, wie in den Amerikanischen. Aber der Trend zeichnet sich mehr und mehr auch hier ab.
Ganz offensichtlich ist das eine ziemlich pauschale Aussage, aber ich möchte wetten, dass sie weitestgehen richtig ist. (Das ist nur ein Grund warum ich aufgehört habe, den großen Nachrichtenzentralen zu folgen. Du wirst von dem, was sie berichten früher oder später auch woanders erfahren und dann bleibt immer noch genügend Zeit deine eigene Meinung zu bilden. (Sofern es überhaupt erstrebenswert ist, zu allem und jedem eine Meinung haben zu müssen.)
Lernen durch Schreiben
Eine gute Methode die mir hilft, ein bestimmtes Thema in meinem Gedächtnis zu konkretisieren ist darüber zu schreiben. Das ist ein sehr guter Weg um die Anzahl der Nervenbahnen zu einem Thema quasi explosionsartig zu vervielfachen.
- Definiere eine Frage
- Entwickle eine Perspektive
- Forsche nach
- Frage nach der Meinung anderer
- Wende an, was du gelernt hast
- Ausprobieren, zerlegen und erneut beginnen
- Bilde dein eigenes Fazit
- Schreibe über das, was du gefunden hast
- Antworte auf Kommentare und Diskussionen
Wenn du so viele Assoziationen geschaffen hast, wirst du das, was du gelernt hast nie mehr vergessen. Was die Wirksamkeit des Lernens durch Schreiben während man schreibt bedeutet, habe ich selbst erst erfahren, als ich mit der Arbeit an meinem Buch begann (bald mehr dazu).
Es handelt von den psychischen und physischen Problemen der Menschen in unserer zivilisierten Gesellschaft und das alles, was diese Probleme bedingt einzig und allein davon abhängt, dass der Mensch den Kontakt zu sich selbst, seinem Körper, seiner Umgebung, zu Land, Gemeinschaft und Vorfahren verloren hat. Ich erforschte die Auswirkungen unserer Kultur auf die Biosphäre, den Ursprung der Menschheit, die Vorteile des Loslösen aus sozialen Prägungen, usw. Innerhalb dieser kurzen Zeit habe ich mehr erfahren (und memoriert) als in vielen Jahren Schulbankdrücken.
Durch diese geschriebenen Recherchen habe ich mehr abrufbare Informationen behalten, als über die tausend anderen Dinge der letzten Jahre, die ich nur gelesen habe. Warum? Weil sie mir wichtig genug erschienen, sich dafür hinzusetzen und darüber zu schreiben.
Ist für dich also etwas wirklich von Bedeutung, sind die Chancen groß, dass es auch für jemand anderen wirklich von Bedeutung ist.
Wenn es ein generelles Prinzip gibt, von dem ich mir wünsche, dass du es aus diesem Beitrag mitnimmst, dann dieses:
Nimm auf was dir hilft, deine eigene Kreativität zu entwickeln und einzubeziehen. Konsumiere nicht bis zur Erschöpfung irgendwelche Inhalte sondern solche, die dich zum Querdenken, zur Inspiration antreiben. Oder Inhalte, die dir direkt eine Antwort liefern. Schreibe über Sachen, die dir helfen zu lernen und an die du ein ganz besonderes Interesse richtest.
„Nimm das Nützliche an, Verwerfe das Nutzlose und erweitere, was einzigartig deines ist.“
– Bruce Lee