Die unglaubliche Geschichte einer Gesichtstransplantation
Dies ist die Geschichte von Carmen Tarleton, einer Krankenschwester, die ein ziemlich normales Leben führte. Bis zu einem Tag im Jahr 2007. Nach einem Streit mit ihrem Ehemann, der sie mit einem Baseballschläger verprügelt hatte, übergoss er sie mit industrieller Lauge. Die Chemikalie richtete verheerende Schäden an Carmens Körper an. Die Verätzung drang tief bis in die untersten Schichten des Gewebes, ihr Gesicht wurde bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Aber sie überlebte. Irgendwie.
Dies ist aber auch die Geschichte von Cheryl Denelli-Righter, die nach einem schweren Hirnschlag ins Koma fiel. Es bestand keine Hoffnung, dass sie jemals wieder das Bewusstsein erlangen würde. Cheryl hatte sich als Organspenderin zur Verfügung gestellt. Als ihre Tochter Marinda von den Ärzten gefragt wurde, ob sie auch einer Gesichtstransplantation zustimmen würde, musste sie schnell eine Entscheidung treffen. Fünf Minuten hatte sie Zeit – und willigte ein.
Cheryl starb an diesem Tag. Aber sie überlebte. Irgendwie.
The Verge – Beyond recognition: The incredible story of a face transplant berichtet von einer Gesichtstransplantation, deren Prozedere immer noch sehr experimental ist. Man darf diesen Beitrag nicht bloß als Befriedigung morbider Sensationslust sehen. Sicherlich, von einem technischen Standpunkt aus betrachtet ist eine Gesichtstransplantation eine ziemlich gruselige Angelegenheit, aber dabei sollte man es nicht belassen.
Denkt man an die immensen philosophischen Implikationen, die so ein Eingriff hervorrufen, gerät man schnell ins Stottern: Was sagt uns das über unsere Selbstwahrnehmung? Wenn ich die Maske eines anderen Menschen trage, wer und was ist dann dieses ich überhaupt noch? Und wer war diese andere Person? Existiert sie mit mir weiter, oder überlagert sie mich und verbindet sich mit mir zu einem neuen Wesen?
Der Punkt jedoch, der mich schier vom Stuhl gehauen hat, ist der:
Welche Willenskraft diese verstümmelte Frau entwickelt hat und wie feierlich sie das Leben umarmt, nach alldem, was ihr passiert ist.
Dies ist eben nicht nur eine Geschichte von zwei Menschen mit gleichem Gesicht (oder doch nicht?), sondern auch eine Geschichte über Mut, Liebe, Vergebung, Identität, Bestimmung und den unbändigen Willen zu Leben.