Mütter dieser Welt, lasst ab vom Schonwaschgang. Synthetische Verfleckungen sind schwer im kommen – und so in, dass sie gleich gar nicht mehr aus der Kleidung raus gehen.
Ich erinnere mich, als ob es gestern gewesen wäre. Einst kündigte sich ein Fotograph in unserem Kindergarten an, um von den Steppkes Bilder fürs Familienalbum aus der geschlossenen Anstalt zu schießen. Am Morgen jenen Tages ermahnte mich meine Mutter zum behutsamen Umgang mit meiner Gewandung. „Bub,“ sagte sie, „Bub, toll heute nicht so arg rum und pass auf, dass du dir deine Hose nicht schmutzig machst. Wir wollen nämlich ein paar schöne Bilder von dir machen.“ Ich verstand wohl, was sie sagte, nickte verständnisvoll mit dem Kopf und dennoch sah ich mich nicht in der Lage, die gemeinen, hinterhältigen Grasflecken von meiner schönen, weißen und jungfräulich unberührten Hose fern zu halten. Meine Mutter war enttäuscht von mir, ich im übrigen auch. Der Fotograph jedoch improvisierte und so kam dennoch eine Aufnahme zustande, auf der man mein verdrecktes Gewand nicht bemerkte.
Heutzutage würde ich mit den Flecken auf meiner Hose wohl kaum noch öffentliches Ärgernis provozieren, sind jene doch scheinbar mittlerweile gesellschaftsfähig geworden und haben ihr eigenes modisches Genre gegründet. Die Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden und über Vorlieben kann man bekanntlich streiten – was ich hier und jetzt nicht tun werde. Mich interessiert lediglich die Tatsache, dass heutzutage Kleidungsstücke von der Stange künstliche Verunreinigungen und Knitterfalten bereits ab Werk beinhalten. Den aktuellen modischen Trends entsprechend wird dieser neue, alte Fummel geschickt mit Nobelmarken kombiniert. Das ganze nennt sich dann Vintage Look – Dolce & Gabbana meets Kelly Family.
Mit theatralischen Darbietungen wird auf den Prêt-à-porters dieser Welt besagte neue Outfit-Norm präsentiert und stolz veranschaulicht, was heute in ist oder, wenn zu visionär, dies morgen vielleicht schon sein könnte. Und in scheint gerade zu sein, was verkommen aussieht. Zumindest möchte man dieser Annahme glauben schenken, riskiert man einen kritischen Blick auf die Straßen der Neuzeit. Denn was dort auf den Trottoirs der urbanen Hipness auf und ab flaniert, verkörpert ein pseudohaftes anti-steriles Understatement.
Menschen, bei denen die Wörter Schmutz und Gilb zumeist banges Grausen hervorrufen, trägt Mode mit artifiziellen Knitterfalten und Hosen mit eingearbeiteten Dreckflecken, die man sonst nur da rein bekommt, wenn man drei Tage lang exzessiv und mit vollster Hingabe über den lehmigen Waldboden robbt. Da posieren sie also mit ihren ausgewetzten, zerschlissenen Hosen, knittrigen Hemden und scheinen sagen zu wollen: „Seht, ich kann auch etwas tragen, das verkommen aussieht, denn ich weiß, was in ist. Ich gehe nämlich mit der Zeit.“ Und das ist schon seltsam.
Zuerst investiert man Millionenbeträge in die Entwicklung von Waschmitteln mit radikalen Tensiden, gegen die kein Dreck dieser Welt mehr resistent ist. Nachdem man schlussendlich die Flecken aus Tops, Jeansröcken und Poloshirts gebannt hat, macht man saubere Wäsche künstlich schmutzig, um sie mit künstlichen Waschmitteln wieder sauber zu machen, nur, damit sie hernach immer noch schmutzig aussieht, dafür aber gut riecht. Anstatt alle Waschmittel vom Markt zu nehmen, um somit ein natürliches verdrecken der Wäsche zwangsläufig herbeizuführen, geht man den umständlicheren, gewiss ertragreicheren Weg und entwirft neue, alte Kleidung mit vorinstallierten Verunreinigungen. Ein signifikantes, wenngleich spätes einsehen der Menschheit, dass Schmutz nicht nur dann einer ist, wenn er danach aussieht und sich als solcher erkenntlich zeigt. Die stilbewusste Gesellschaft bedient sich also einer Metapher der Unreinheit. Sie benutzt Schmutz, der keiner sein soll; Schmutz, der keine der Eigenschaften von gewöhnlichem Schmutz haben sollte, außer dass er danach aussieht. Sogar das Gegenteil ist der Fall, denn diese synthetischen Verfleckungen sollen da sogar drinbleiben und zwar möglichst lange unverändert. Konstant und immer gleich schäbig – wie der ganzjährige Dreitagesbart. Der künstliche Pfuhl dort in den Kleidungsstücken, der sich zwar als solcher ausgibt und dennoch keiner ist, soll signalisieren, dass man gegen den uniformen Modestrom schwimmt.
Leute machen Kleider, damit Kleider Leute machen. Und Menschen machen Flecken in ihre Kleider, um aus der Masse hervorzutreten. Schon verwirrend. Aber an und für sich ist diese Entwicklung nicht weiter schlimm oder gar bedauernswert, gibt sie einem doch endlich eine plausible Rechtfertigung in die Hand, warum man in seinen Flegeljahren so besudelt herumlief. Wir waren bereits als Kinder unserer Zeit einfach schon voraus.
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