Mal ein Versuch: Sitze im Zug nach Stuttgart, um F. bei seinem Umzug zu helfen. Es ist noch früh am Morgen und bevor mich die bleischwere Müdigkeit überkommt, mache ich ein paar Notizen. Aber das ist nicht leicht, das Abteil schunkelt einschläfernd hin und her und die weiße, spiegelkalte Landschaft schickt so viele Bilder an meinem Fenster vorbei, sodass meine Augen gar nicht hinterherkommen mit dem Betrachten und ganz rot sind vor Bilderflut.
Erreichen Ulm. In Ulm und um Ulm und um Ulm herum liegen tote Vögel.
Herr N. zuständig für die Durchsagen in diesem ICE bekommt jetzt einen neuen Namen von mir: Prinz Valium.
Die Gesichter der Menschen am Ulmer Bahnhof sind grau wie dessen Fassade. Mütter, die aussehen wie ihre Töchter (und umgekehrt) warten und winken verwirrt. Rothaarige Dame vor mir klopft ans Fenster, ihr Mann steht draußen, sie riecht nach Anis oder Nelkentabak.
Eine Verzögerung, dann Weiterfahrt.
Oder nein, doch Vanille?
Das konstante Fließen der Landschaft und das Schaukeln bringen das Hirn zum überschwappen; dann rastet es wieder ein und ist starr, wie betäubt.
Reihen hinter mir fließt Schaumwein, die Gesellschaft ist lustig und laut und versorgt das gesamte Abteil mit akkustischem Müll. Oropax, meine treuen schaumstoffenen Egalisierer, haltet mir dieses eskapistische Gequatsche von der Denkfurche. Besten Dank! (Ob es eine Ode an gehörgangverschließenden Schaumstoff gibt? Nein? Dann, guten Tag, wir arbeiten daran.)
In Ägypten gibt’s Krawall, protest like an Egyptian; und hier ist alles weiß und normal.
Nein, doch Anis.
Steine aus Braunschweig.
Sogar einen „Ideengarten mit Stein-Treff“ haben die hier. Steinexport, davon lebt die Region. Das deprimiert mich. Die rothaarige Frau auf Nr. 33 blättert so angestrengt und laut die Seiten ihrer Illustrierten um, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann. Die Männer der Champusgesellschaft lachen stark asthmatisch und wiegen doch nur halb so viel wie Dirk Bach.
Geislingen, Salach, Göppingen, noch 20 Minuten bis Stuttgart.
Die Landschaft wird hügeliger.