Da ist in den letzten Tagen wieder einiges zusammengekommen.
Pferdefleisch überall, nicht nur in Dosenravioli, dem europaweite Aktionspläne entgegengesetzt werden; ein Ernährungsbericht, der uns Deutschen, ach wirklich, fürchterlich ungesunde Essgewohnheiten attestiert und ein umgestürzter Tiertransport, bei dem 700 Ferkel notgeschlachtet werden mussten.
Gerade bin ich mit Scott Jureks „Eat & Run“ fertig geworden, einer Mischung aus Biographie und Kochbuch, bin seit Anfang des Jahres nahezu ausschließlich auf eine pflanzliche Ernährung umgestiegen, setze mich sehr kritisch mit Derrick Jensens Thesen in „Endgame – Zivilisation als Problem“ auseinander ((Einem Buch, das ich als so dringend ist wie kein Anderes für unsere Zeit empfinde. Soll dieses Jahr noch einmal im Pendo-Verlag neu aufgelegt werden.)), da flattert pünktlich der nächste Lebensmittelskanal ins Haus. Pferdefleisch in Fertiglasagne, in Gulasch, Ravioli und Chili con Carne, zunächst bei den Discountketten Lidl, Edeka, Kaufland, Rewe, beim Tiefkühl-Lebensmittelhändler Eismann und später auch bei dem weltweit agierenden Nahrungsmittelkonzern Nestlé. Und bis auch der Letzte sein industriell hochverarbeitetes, sogenanntes Rindergulasch aussspucken und „Scheiße!“ schreien konnte, war von einem europaweiten Skandal die Rede.
Wo die Worte „Lebensmittel“ und „Skandal“ in einem Satz genannt werden, sind Verbraucherschutzministerinnen und -minister meistens nicht weit. So wurde in einer Beratungskonferenz am 18. Februar in einem „Nationalen Aktionsplan“ mehr Aufklärung, Transparenz, Information und Regionalität gefordert. Vor allem die angekündigte „gezielte Stärkung regionaler Kreisläufe“ würde als einziger Ansatz positiv hervorstechen, wurde aber in der Konsequenz dieses Aktionsplans überhaupt nicht weiter ausgeführt. ((Von der vollmundigen Versprechung, dass regionale Kreisläufe gestärkt werden bleibt am Ende des Aktionsplans lediglich die Ankündigung, dass ein „Regionalfenster“ auf den Packungen eingeführt werden soll, das „mit einem Blick die Herkunft der wichtigsten Zutaten zeigt.“)) Er ist von all den zehn Punkten des Aktionsplanes als letzter aufgeführt, noch hinter der Ankündigung zur Einrichtung einer Verbraucherhotline. Der Rest ist rhetorisches Beschwichtigungspalaver. Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister sprechen sich für dieses und jenes aus, sie wollen sich einigen und beschließen und prüfen, zum Beispiel, und dieser Passus gefällt mir besonders, die „Schaffung praktikabler Möglichkeiten zur Abschöpfung von Unrechtsgewinnen“. Mit anderen Worten: die Ausbeutung muss aufhören.
Denn das ist doch das Problem, sobald wir damit beginnen, auf alles und jeden einen Euro zu legen – auf Tiere, Wasser, Liebe und vielleicht eines Tages Luft – damit Profit erwirtschaftet werden kann, beginnt der Missbrauch, steigt die Verschmutzung, steigt das Leid.
Allerdings erwarte ich von der Politik, nicht nur in dieser Sache, eh keine Hilfe und wirklichen Fortschritte mehr und das ist bedauerlich.
Die Ausreden der Fastfood- und Fertigessen-Fans
Da kommt der Ernährungsbericht der Forsa-Gesellschaft im Auftrag der Techniker Krankenkasse ((Die TK erklärte übrigens 2013 zum „Jahr der Gesundheit“, während UN-Generalsekretär Ban Ki Moon 2013 zum „Jahr der Quinoa“ erklärt, da das unscheinbare Kraut nichts Geringeres als den Welthunger in Zeiten des Klimawandels stillen soll)) gerade zur rechten Zeit, hier eine kurze Zusammenfassung als PDF.
58 Prozent der befragten Männer essen mindestens einmal am Tag Fleisch oder Wurst, 39 Prozent sind es bei den Frauen. Die Hälfte der Bevölkerung nennt fehlende Zeit und Ruhe als Hauptgrund für eine mangelhafte gesunde Ernährung – von den unter 25-Jährigen sogar fast zwei Drittel.
Besonders junge Menschen bis 25 Jahre gaben an, sich von Fertigprodukten zu ernähren; immerhin ein Fünftel der bis 35-Jährigen esse mindestens einmal in der Woche Pommes Frites, Hamburger oder Currywurst. Nur in der Hälfte der Haushalte werde täglich selbst gekocht; auf dem Land ist das etwas üblicher als in den Großstädten.
Ein Drittel der Geringverdiener, die höchstens 1500 Euro im Monat zum Leben haben, hatten gesagt, dass ihnen für gesunde Ernährung das Geld fehle. Zu den gesunden Lebensmitteln aber zählen Linsen, Brot und Reis, während man eher teure Sachen wie Fleisch, Fisch und Käse ohnehin nicht so oft essen solle. ((Zusammgengewürfelte Informationen aus dem TK-Bericht und Süddeutsche Zeitung Nummer 46, Seite 6))
Scott Jurek beschreibt unter anderem in seinem Buch, das ich übrigens jedem Läufer mit Ultralaufambitionen wärmstens empfehlen kann seine Erfahrung mit veganer Ernährung, seiner Abkehr von Industrienahrung und einem bewussterem Umgang mit natürlichen Produkten.
Und er hat natürlich recht. Es gibt im Deutschen die vielleicht etwas abgeschmackte Floskel „Man ist, was man isst.“ Ich bin also, was ich esse und das hat mich stark zum Umdenken meiner Essgewohnheiten bewogen. Die Luft, die ich atme, die Flüssigkeiten, die ich trinke und nicht zuletzt die Nahrung, die ich zu mir nehme „baut“ mich, definiert mich, das richtige Training vorausgesetzt, hilft mir zu regenerieren. Mein Körper setzt all das um, was ich ihm zuführe und erneuert sich ständig. Und wenn ich ihm eben nur Junkfood oder anderweitiges industriell hochverarbeitetes Zeug anbiete, werde ich selber Junk, bzw. krank und schwach und fettleibig. Ganz zu schweigen von all den anderen Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, Diabetes und einem hohen Cholesterinspiegel, Ergebnisse einem unserer natürlichen Ernährungsweise vollkommen zuwiderlaufenden industriellen Nahrungsangebot mit endlosen künstlichen Zusatzstoffen.
Wenn 700 Ferkel „ungenießbar“ werden
In der Nacht zum Freitag kippte auf der A99 bei Vaterstetten ein Tiertransport mit 700 Ferkeln um. Die Tiere waren von einem Betrieb in Dänemark abgeholt worden und sollten nach Italien gebracht und dort gemestet werden. Eine Amtstierärztin ordnete die Tötung an, weil die Schweine durch den Unfall Stresshormone ausgeschüttet hatten und ihr Fleisch nicht mehr genießbar gewesen wäre. „Aus lebensmittelrechtlichen Gründen seien die Tiere daher nicht mehr zum Verzehr geeignet.“
Wieder eines von tausenden Beispielen pro Jahr, nicht für das Problem, sondern für das Symptom eines von der EU subventionierten Fleischhandels, der nachwievor auf kontinentweite Tiertransporte setzt. Mit welchem Recht stellen wir unsere Interessen, „genießbares Fleisch“ essen zu wollen über die Interessen dieser Tiere, ein friedliches Leben ohne Qual und Leid leben zu können?
So sehr mich diese Nachricht schockiert ist das, was mich jedoch am allermeisten ärgert der Platz, wo ich diese Meldung das erste mal veröffentlicht sah: im Regionalteil der Zeitung, weit hinten auf Seite 16, eingepfercht zwischen den Gewinnzahlen der Süddeutschen Klassenlotterie und einer Lufthansa-Reklame, die für 99 Euro-Flügen innerhalb Europas wirbt. ((Wie absurd, denn beides verspricht ein besseres Leben in der Zukunft.))
Und das ist im Kern das Problem, eine gewaltige Verdrängung der Themen Nachhaltigkeit ((Ein von der Politik leidlich überstrapazierter und damit in allen öffentlichen Debatten nahezu wirkungslos gewordener Terminus)) und Umweltschutz, gepaart mit der grenzenlos dummen und törichten Annahme, wir könnten weiter so wirtschaften wie bisher.
Das Merkwürdigste an der Zukunft
ist wohl die Vorstellung,
dass man unsere Zeit
eines Tages die gute alte Zeit nennen wird.
– John Steinbeck
UPDATE 02.03.2013:
So schnell kann man gar nicht die reload-Taste im newsreader drücken, wie momentan neue Skandale auftauchen:
Foodwatch: 10.000 Tonnen krebserregender Mais verfüttert
Süddeutsche.de, 24.02.2013: Eier aus überfüllten Käfigen – Ermittlung gegen 200 Legebetriebe
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