Ich will nicht mehr wütend sein. Ich bin einfach zu alt dafür. Ausserdem ist wütend-sein schlecht fürs Herz. Kapitalismus ist gut. Sozialversicherungsnummern sind gut. Hillary Clinton ist eine gute Frau und, zur Hölle, ja: Ich liebe große, gute Autos, die gut viel Sprit fressen. Ich bin nicht mehr dagegen. Ich will nicht mehr dagegen sein. Früher war ich das oft. Gegen vieles, manchmal alles. Das hat mir ein taz-Abo beschert. Und Hämorrhoiden. Warum und gerade jetzt wollen mich so viele Menschen vom Gegenteil überzeugen? Dass ich dagegen sein sollte. Dass wir dagegen sein sollten. Da stehen sie dann, dick und bräsig und wedeln mit erhobenem Finger. Wir sollten dagegen sein. Wir sollten nicht einverstanden sein: mit dem Klimawandel, der Weltwirtschaftskrise, Tibet, Roland Koch und dem Transrapid. Wir sollten dagegen sein und uns für unseren Eifer belohnen. Aber Freunde, sag ich zu ihnen, macht euch doch bitte nicht gleich das Höschen feucht. Ein müder Gaul wird noch lange nicht nachdenklich, wenn man ihn peitscht. Und ich bin ein sehr müder Gaul, der froh ist, aus dem tiefen Tal der Tränen zu traben. Gab nämlich zwei Möglichkeiten: sich selbst am Schopf packen und rausziehen (Münchhausen, alles Lüge). Oder so lange heulen, bis der Tränenwasserspiegel den Gipfel erreicht. Auch eine Lösung.