Von einem der auszog

„Ich bin dann mal weg.“

Hätte HP seinen Selbstfindungstrip auf dem Jakobsweg nicht schon so genannt, es wäre mein Titel für diesen Eintrag geworden. Unter diesen Umständen kann ich allerdings nur schlecht kopieren:
„Ich bin dann auch mal weg.“

Ab dem 4. September werde ich für ein halbes Jahr nach Neuseeland gehen. Nach „Aotearoa„, wie die Maori die Insel nennen, was soviel heißt wie „Das Land der langen weißen Wolke.“ Alleine mache ich mich auf den Weg, mit Rucksack, sechs Monate Nomadendasein, Land und Leute kennenlernen, arbeiten und weiterziehen. Und natürlich Laufen gehen. Heute erhielt ich von der neuseeländischen Einwanderungsbehörde mein Arbeitsvisum und ich dachte mir, dass es jetzt allmählich an der Zeit wäre, etwas darüber zu schreiben; etwas zu sagen über meinen Ansporn, meine inneren Überlegungen und auch Zweifel; über die Planungsvorbereitungen, die vielleicht jedem, der sich für Work & Travel in Neuseeland entschließt, als kleiner Ratgeber dienen.

Zunächst aber ein paar interessante Zahlen: Neuseeland ist mit 268.680 km² kleiner als Deutschland mit 357.022 km² Fläche und entlang der Hauptachse in nordöstlicher Richtung „from Cape Reinga to The Bluff“, wie man umgangssprachlich sagt über 1600 Kilometer lang. Größte Stadt des Landes ist Auckland, „The City of Sails“ mit 1.320.700 Einwohnern. Auf eine Gesamtbevölkerung von 4,23 Millionen kommen 40 Millionen Schafe und während in Deutschland pro Quadratkilometer Land 236 Menschen wohnen, sind es in Neuseeland gerade einmal 15. Insofern gibt es viel Raum um Abstand zu gewinnen, wenngleich der Tourismus in den letzten Jahren extrem zugenommen hat und man, besonders in den Sommermonaten wohl auf kaum einem Pfad wirklich alleine sein wird. Wer mehr über die Geschichte und die Entwicklung des Landes erfahren möchte, kann das in voller epischer Länge auf Wikipdia tun. Sehr informativ ist auch diese Gegenüberstellung Deutschland vs. Neuseeland von Wolframalpha.

Himmelende wird in den nächsten Monaten also zum Reiseblog umfunktioniert und ich werde, sofern möglich, von der anderen Seite des Globus über den Alltag eines Backpackers bloggen, in Bild und Ton und Text und es wäre schön ihr müsst immer wieder auf Himmelende vorbeisurfen, um auf dem Laufenden zu bleiben. (Um das Ganze bequemer zu gestalten, empfehle ich euch das E-Mail Abo, rechts auf der Startseite.) Und natürlich freue ich mich auch über den einen oder anderen Kommentar.
Auch wenn die Zahl an Auswanderungsberichten inflationär zunimmt und ich hier keine weitere Nabelschau Marke „XYZ – Yeah, ich war hier!“ betreiben möchte, so will ich den Daheimgebliebenen trotzdem Lebenszeichen vom anderen Ende der Welt geben. Und mir hilft diese Berichterstattung sicherlich auch, um den Alltag dort zu bewältigen. Aber jetzt erstmal ein paar persönliche Worte zu meinen Motiven.

Fernsein

Wir alle haben gute Gründe um aufzubrechen. Es geht dabei nicht so sehr darum, für welche Richtung man sich entscheidet sondern dass man sich entschieden hat. Diese Überzeugung knallte irgendwann im Laufe des vergangenen Jahres in mein Hirn, hat sich dort festgesetzt und mir in den letzten Wochen sehr geholfen, an meiner Entscheidung festzuhalten.
Manche Entscheidungen muss man alleine treffen. Befragt man Freunde oder Eltern, bekommt man zumeist eine vernunftorientierte Antwort. Das ist okay, hilft einem aber in dieser Situation nicht weiter, was mit ein Grund war, warum ich mein Vorhaben sehr lange für mich behielt. „Bleib doch hier, kümmere dich erstmal um dein Studium, um ’nen Job…“, und so weiter. Es gibt eine Menge vernünftige Gründe hier zu bleiben, Dinge geregelt zu bekommen, wie es immer tausend vernünftige Gründe gibt, irgendetwas nicht zu machen.
Manchmal muss man allerdings unvernünftig sein. Denn wären die Menschen immer vernünftig gewesen, sie hätten sich nie in eine Rakete gesetzt und wären zum Mond geflogen. Oder hätten niemals so tolle Dinge erfunden wie Marshmallows oder Eierschalensollbruchstellenverursacher.

An Neuseeland denke ich schon seit über einem Jahr. Die letzten Wochen und Monate hier war ich ein wandelnder Geist, ein Unzugehöriger. Nicht hierhin und nicht dorthin. Letzten Oktober begann ich ein Studium an der LMU, Germanistik als Hauptfach, Nebenfach SLK mit Schwerpunkt auf Literatur- und Kultur- und Medienwissenschaften. Besonders glücklich war ich von Anfang an nicht, besonders mit meinem Hauptfach. Und wie bei so vielen Studienanfängern kollidierte nach kurzer Zeit die ideale Wunschvorstellung mit den tatsächlichen Inhalten und eine aufrechte Erwartungshaltung verwandelte sich zur gespannten Duldungsstarre. Die viel wichtigere, weil sinn- und richtungsgebende Frage, wohin ich eigentlich mit diesem Studium will, konnte und kann ich nicht beantworten, und das ist schlecht, weil man viel Zeit und Kraft aufwenden muss und wenn man etwas studiert, das nicht einen einzigen Funken Leidenschaft in einem entzündet, dann wird es schwer bis unmöglich, es bis zum Ende durchzuziehen. Die letzten Monate steckte ich in einer Gedankenschuhschachtel fest, mir fehlte die Sinnperspektive und ich mäanderte so irgendwie vor mich hin. Langsam entwickelte sich das Gefühl, nirgendwo mehr richtig reinzupassen. Es gab viele Hinweise, die ich im Einzelnen jetzt nicht benennen möchte, aber alles deutete darauf hin, dass es besser wäre, so langsam die Sachen zu packen und sich zu distanzieren. Ich dachte, dass alle jetzt erstmal ganz gut ohne mich klarkommen würden; alles würde wunderbar auch ohne mich weiterlaufen. Das war ein gutes Gefühl, eigenartig, aber ich machte mich daran, die Sache anzugehen.

Wann wurde der Plan konkret?
Die Idee gab es wie gesagt schon lange davor. Richtig konkret wurde es allerdings an einem Montag um ziemlich genau 12:47 Uhr, während einer dieser Vorlesung, in der man desillusioniert in den Rängen sitzt und sich fragt: „Was zum Teufel mache ich hier eigentlich mit meinem Leben?“
Ich verließ die Vorlesung noch mitten während des Vortrages, ging zum Reisebüro, reservierte mir einen Flug; ging zur Buchhandlung, kaufte mir den Lonely-Planet Reiseführer für Neuseeland; ging in das Geschäft gegenüber und kaufte mir einen Rucksack. Alles an einem Tag, alles auf einen Schlag. Wie die hundertprozentige Klischeevorstellung eines Backpackers mit Dreitagebart und dickem Reiserucksack und ausgewaschenen Hemden und Shorts saß ich dann zuhause und in den nächsten Tagen vervollständigte ich das Ganze. Mit jedem Schritt war jedoch immerzu noch alles offen. Erst, als die Tickets bezahlt waren und heute das Visum genehmigt wurde, hatte das Vorhaben ein Momentum erreicht, das nun unaufhaltbar ist.

Warum weg?
Fernsein um zu sich zu kommen. Weggehen um bei sich anzukommen. Staub von Gehirn klopfen. Hier sehe ich mich momentan nicht mehr aus. Und anstatt in einem enervierenden Halbundhalb-Studium so irgendwie vor sich hin zu krebsen oder in einem fürchterlichen Job festzustecken, den man nur des Geldes wegen macht, ist es jetzt genau die richtige Zeit, die Welt zu sehen und auf neue Gedanken zu kommen. Neue Horizonte, ihr wisst schon. Man wächst an den Herausforderungen.
Allerdings frage ich mich noch, ob das Weggehen eher eine Art Fluchtsituation, ein Symptom meines Unwillens oder meiner Unfähigkeit ist, mich hier mit meinen Problemen konstruktiv auseinander zu setzen? Oder ob es wirklich die Unternehmung ist, von der ich mir Klarheit in meinem Leben erhoffe. Wie auch immer, im Prinzip ist es egal, es geht um die Entscheidung.

Warum Neuseeland?
Es ist der denkbar entfernteste Ort von Deutschland aus gesehen, da ist nichts mit „mal eben in den Zug steigen und heimfahren“ oder „ich komm dich mal eben schnell besuchen.“ Vor spontanen Verwandtenbesuchen hat man bei einer Flugzeit von +/- 28 Stunden inkl. Zwischenstops nichts zu befürchten.
Nein, ernsthaft: Mich fasziniert das Land, die Natur. Zu ihr hatte ich immer schon einen besonderen Draht. Ich freue mich darauf, neue Menschen kennen zu lernen und mir ihre Geschichten anzuhören. Davon lebe ich. Und natürlich auch der Sprache wegen, die man am besten lernt, wenn man in die Gesellschaft und die Kultur eintaucht. Das geht mit einem Arbeitsvisum gut, als Pauschaltourist bleibt man immer aussen vor. Land, Menschen, Sprache, man kann es so verkürzen.
Neuseeland ist keine wirklich fremde Kultur, also im Sinne Chinas oder des Irans. Ich stelle es mir ein wenig wie England vor, nur eben ein Stück weiter weg, in der Summe aber sehr europäisch.

Wie viel kostet der Flug?
Das werde ich häufig gefragt. Ohne internationalen Studentenausweis 1800 – 2000 Euro, hin und zurück. Mit „Studententarif“ rund 1000€. Damit ist erst mal ein großer Teil meiner Reserven verbraten. Abflug ist im Anfang September, zurück gehts Ende April 2011. Für die Buchung als Student empfehle ich flug.de oder – wie in meinem Fall, Travel Overland oder STA Travel in München. Dort bekommt man ausserdem für einen Obolus von 12€ den internationalen Studentenausweis ausgestellt.

Und warum gerade jetzt?
Ganz ehrlich, mir läuft ein kleines bisschen die Zeit davon. Ich bin jetzt 30, das Work & Holiday Visum bekommt man nur bis zum abgeschlossenen 30. Lebensjahr, dann ist Schicht im Schacht. Später im Leben werden sich auch nur noch wenige Möglichkeiten ergeben, dann gibt es andere Verpflichtungen, der Job, die Miete, die Familie, etc. Etwas bindet einen immer. Ein dritter Grund, der noch viel wichtiger ist: Sommer hier in Deutschland, dann Sommer in Neuseeland, dann wieder Sommer in Deutschland. Eineinhalb Jahre Sommer, der Winter ist für mich erstmal passé.

Ich glaube, dass ich für den Augenblick alles gesagt habe. Ihr könnt in den Kommentaren noch weitere Fragen stellen. Wenn ihr euch selbst auf den Weg machen wollt und ein paar Tips zur Vorbereitung braucht, könnt ihr mir auch gerne direkt eine Mail schicken. Sicher folgt in den nächsten Tagen auch noch ein paar dementsprechende Einträge mit wichtigen Links für die Reise. Schaut einfach immer wieder hier vorbei.

Seit ein paar Tagen bin ich sehr ruhig geworden. Ich habe eine Entscheidung getroffen und fühle mich im Gleichgewicht.
Ich freue mich auf die Prüfung, die vor mir liegt. Und auf dieses andere Leben. Alles ergibt jetzt einen Sinn.

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