Es würde sicher bald zu schneien begonnen haben, als sich diesen Freitag unter lautem rumpeln und poltern die Erde in Ratingen auftat und ein klaffendes Loch unbekannter Tiefe hinterlies. Die Feuerwehr war natürlich sofort zur Stelle, doch da es nichts zu löschen gab, konnte sie nur in die Röhre blicken, oder – in diesem speziellen Fall – eben nur in den Schacht. Bewohner der Straße „An der Hoffnung“, in der sich der Zwischenfall ereignete, waren allenthalben schockiert und ratlos über die spontane Erdlocheröffnung, eröffnen doch sonst nur Möbelhäuser oder Mega-Küchen-Fachmärkte in dieser Gegend. Der Bürgermeister bezog bis zur jetzigen Stunde noch keine Stellung, von Rücktritt war aber auch noch nicht die Rede.
Manch spitzfindige Politiker in den Reihen der CDU mögen sich nun die Hände reiben und an einen verfrühten Weihnachtssegen glauben, wenn da der Baustopp über einen Bahnhof und dort der Baustopp über ein Endlager verhängt wird und sich just dieser Tage die Erde in Ratingen mit einem gähnenden Loch auftut. Wenn schon die Endlagersuche in Gorleben so mutlos ergebnisoffen verlief, dann böte sich nun eine fabelhafte Option: Den Castor also direkt ins Loch rollen lassen; ein, zwei, drei Kritiker gleich schwupps hinterher, verbucht als sogenannte Erdlochkollateralschäden. Das alles Gute nur von oben käme ist halt doch nur die eine Seite der Wahrheit.
Manch ein sich aus lauter Erklärungsnotstand den Mund fusslig redender Politiker der FDP mag nun die Hände jubelnd zum Himmel werfen, denn weder für parteiinterne Grabenkämpfe noch für Umfragewerte unbekannter Tiefe muss sich die FDP nun schämen, reicht doch ein beschwichtigender Fingerzeug rüber nach Nordrhein-Westfalen, wo sich nun schließlich ganz andere Gräben auftun.
Und auch der gemeine Steuerhinterzieher braucht seit diesem Freitag die Daten-CD versendende Guerillataktik der Schweiz nicht mehr zu fürchten: Wer braucht schon Südseesteueroasen, wenn sich ein weiteres Schlupfloch direkt vor der eigenen Haustür auftut?
Und von Christian Wulff? Derzeit keine Spur von ihm. Der noch amtierende Bundespräsident zog es eh schon seit ein paar Tagen vor, eher über den Anwalt mit dem Volk zu kommunizieren, anstatt direkt und in persona. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Ist das Loch in Ratingen am Ende gar Vorbote für das bevorstehende Armageddon 2012 im emmerich’schen Sinn, also mit viel Tamtam und Kitsch? Wie man es auch drehen und wenden mag: Wenn sich also die Erde am schönen Rhein auftut, entlang einer Straße namens „An der Hoffnung“, so kann diese Meldung nur prophetischen Charakter haben. Wir bleiben gespannt und warten auf die nächste Erdöffnung.
Bestimmt ganz bald, auch in ihrer Nähe.
San Francisco, Istanbul, Ratingen ? – In München öffnete sich schon zweimal die Erde. Es gab sogar Tote. Geändert hat sich Nichts seither, niemand in München, ahnt wie brüchig hier die Erdkruste ist, es wird einfach totgeschwiegen wie heiß gerade hier das bayerische Pflaster ist. Einmal im Jahr darf dosiert Dampf abgelassen werden – ein Bouquet von Wahrheiten wird unter das politisch interessierte Volk gestreut um dann wieder gefählich dichtzuhalten bis zum nächsten offenen Graben…