„Zur Gewalt neigt nicht nur der Kriminielle. Sie ist in allen Menschen gegenwärtig, die in einer Welt leben, deren Fundament die Gehorsamsbereitschaft ist. Wenn wir uns selbst nur dann lieben dürfen, wenn wir gehorsam sind, fühlen wir uns als rechtschaffene Menschen, wenn wir in anderen den Ungehorsam töten, der einst unser eigener war. Wir brauchen Feinde, nicht nur um uns selbst vor unserem alten inneren Feind zu schützen, sondern auch um die wachsende angestaute Wut abzureagieren.
Und während wir das Leben hassen und verachten, halten wir uns für gütig, großzügig und menschenfreundlich. Wahr daran ist nur, daß wir uns bemühen, »anständig« zu erscheinen, also den Erwartungen zu entsprechen, denn nur dann können wir uns selber lieben. Das aber ist Narzißmus, und diesen Narzißmus fördert unsere Kultur sehr wirkungsvoll. Man liebt die »anständige« Fassade und nicht das Selbst, das man sein könnte.“Arno Gruen, Der Wahnsinn der Normalität – Realismus als Krankheit
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