„Dieses ganze Gerede über Leute, die sich umbringen, wenn sie eine »akute Depression« haben; wir sagen »Heilige Scheiße, wir müssen sie irgendwie davon abhalten, sich umzubringen!« Das ist falsch. Denn weißt du was? Diese Menschen haben sich schon umgebracht, den Teil, der zählt. Wenn diese Menschen ganze Medizinschränkchen schlucken, in der Garage eindösen oder sonst was, dann haben sie sich schon eine kleine Ewigkeit lang umgebracht. Wenn sie »Selbstmord begehen«, schaffen sie nur noch Ordnung. Es ist eine reine Formsache, einen Sachverhalt herzustellen, dessen Substanz schon längst in ihnen existierte. Von dem Augenblick an, wo du verstehst, was mit dir los ist, existiert faktisch der Sachverhalt der Selbstzerstörung. Außer dieser Formsache kannst du dann kaum noch etwas tun.“
– „Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur üblen Sache“, David Foster Wallace, 1984
Von Elisabeth Kübler-Ross, Interviews mit Sterbenden (amerikanisch zuerst 1969), werden fünf Phasen des Sterbens unterschieden: denial (Leugnung), anger (Zorn), bargain (Verhandeln), depression (Schwermut) und schließlich acceptance (Hinnahme), die man als „produktive“ Strategien zur Bewältigung einer extrem belastenden Situation verstehen soll.
Die Angstfantasien der Abgeschlagenen
Sie sind vom Gift des Ressentiments beherrscht. Es handelt sich um einen untergründigen Groll, der aus der Angst vor der eigenen Aggression resultiert. Ohnmächtig zur Rache, unfähig zur Vergeltung und verhindert zur Abrechnung verbreitet sich eine psychische Einstellung, die, wie Max Scheler formuliert hat, „durch die systematisch ausgeübte Zurückdrängung von Entladungen gewisser Gemütsbewegungen und Affekte entsteht, welche an sich normal sind und zum Grundbestande der menschlichen Natur gehören.“ Man schimpft über das Regime gewissenloser Heuschrecken, denen das Schicksal der Werktätigen völlig gleichgültig ist, und trauert den guten alten Zeiten des industriellen Paternalismus nach; man beklagt die Verwüstungen einer Massenkultur von Mode- und Fastfoodketten und zelebriert Vinylabende und sammelt illuminierte Ausgaben; man empört sich über den Pumpkapitalismus privaten „deficit spendings“ und träumt von einer Vollgeldökonomie redlicher Kaufleute.
So konserviert sich ein Gefühl der Kränkung, das überall Grund zur Beschwerde findet. Man gehört halt zu den „meisten von uns“, die bei dem Gedränge um die wenigen Positionen an der Spitze hinten runtergefallen sind. Re–sentiment ist, wie der Wortsinn sagt, das Wieder-Fühlen von erlittener Verletzung, erfahrener Niederlage und hingenommener Herabsetzung – allerdings immer mit der Angst, vor diesem nagenden Gefühl vollkommen kontaminiert zu werden.
Theodor W. Adorno hat in seinen zusammen mit Else Frenkel-Brunswick, Daniel Levinson und R. Nevitt Sanford erstellten Studien über den „autoritären Charakter“ das Ressentiment auf eine rebellische Tendenz gegen ein System des verunmöglichten und verbauten Lebens zurückgeführt. Man muss den Rebell in sich selber behaupten, um sich mit dem Bestehenden überhaupt noch identifizieren zu können. Schwerer noch als das System der…
Unter posttraumatischen Verbitterungsstörungen versteht der Psychiater Michael Linden, „Posttraumatic Embitterment Disorder“ eine Reaktionsweise, die nach außergewöhnlichen, aber lebensüblichen Belastungen wie Kündigung, Trennung oder Verlust auftreten kann, wenn diese als extrem ungerecht, kränkend oder herabwürdigend erlebt werden. Es kommt zu anhaltenden Gefühlen von Verbitterung verbunden mit Gefühlen von Hilflosigkeit, Selbst- und Fremdvorwürfen und zerstörerischen Fantasien. Das endet nicht selten in der Bestrafung des vermeintlichen Aggressors durch Manöver von Selbstzerstörung.