Haarkultur, Nägelmanufaktur… in den Namen vieler Münchner Läden vermisse ich eine Art gesunden Pragmatismus, das wird zunehmend abgedrehter.
Scheinbar braucht es heutzutage dieses Gefühlsglutamat, um aus der breiigen Masse der Dienstleistungen herauszustechen, um überhaupt noch aufzufallen. Mach aus dem leisesten Furz ein Happening und die Leute kommen in Strömen zu dir.
Mein Friseur zum Beispiel heißt schlicht und ergreifend Haarschnitt. Deswegen habe ich ihn mir ausgesucht. Da wird nichts vorgegaukelt oder unnötig viel Wind um eine ganz banale Sache gemacht: Haare schneiden.
Vielleicht steckt in dieser sprachlichen Übersättigung auch eine Sehnsucht nach tradierten Zeremonien, ein Tief verwurzeltes Verlangen nach wahrer Kunstfertigkeit, in deren Obhut man sich gerne begibt; Meisterlichkeit und Substanz in einer Welt zunehmender Beliebigkeit, Austauschbarkeit und Oberflächlichkeit.
Was Friseursalonnamen betrifft: Deef hatte auf seinem Blog vor einigen Jahren mit Inbrunst die krudesten Wortspiele diesbezüglich gesammelt.
Was Wortspiele betrifft: Die Stadt Olching vor den Toren Münchens hat sich als ein Kleinod mittelschlimmer Wortspielakrobatik bewiesen.
Olching ist eine sehr überschaubare Stadt, aber dafür kann sie nichts. Man ist durch sie hindurchgefahren, noch bevor man „Ach du heilige Scheisse!“ rufen kann, einerseits. Andererseits ist sie groß genug, um während der halben Minute, in der man entlang der Hauptsraße fährt einen Laden nach dem Anderen zu beobachten, deren Besitzer ein wahres Effektfeuerwerk sprachlicher Unzulänglichkeiten abfackeln: Schicki Micki – Das Stoffwechsel-Sparadies, Bettinakothek – Haarkunst (generell scheinen Frisuren und Stoffe in dieser Gegend sehr gefragt zu sein), Stoff- und Wollust und ach, so geht das einige Zeit weiter. Nicht nur Menschen mit einem Sinn für Sprache müssen sich kurz schütteln, wenn sie das Ortschild Richtung auswärts hinter sich gelassen haben.
Ein regionales Magazin, das bei einem der hiesigen Makler ausliegt (ja, wir haben uns tatsächlich überlegt dorthin zu ziehen, gesunder Menschenverstand hin oder her) und das in Fürstenfeldbruck gedruckt wird wirbt mit bruckfrisch statt druckfrisch (abermaliges Stoßseufzern). Und wer den typographischen und layouttechnischen Niedergang unserer Zeit in Echt beobachten möchte, dem reicht ein Besuch dieses Cafés und ein Blick in dessen Speisekarte vollkommen. Es liegt in der nächsten Kleinstadt nach Olching, in Germering – mit einem architektonisch durchaus fragwürdigen Einkaufszentrum am Bahnhof – und rundet unsere Besichtigungsrundfahrt mit einem dezenten Faustschlag auf’s Auge ab.
Versteht mich nicht falsch, liebe Olchinger und Germeringer. Das geht per se nicht gegen euch. Man kann es in dieser Ecke bestimmt auch schön haben. Aber ich für meinen Teil bekomme dort alleine schon vom Durchfahren Depressionen. An diesem Ort kann keiner ernsthaft wohnen, der etwas für Sprache und Schriftbild übrig hat.