„What are you doing?“
Was machst du? Das ist die Urmutter aller Fragen, die Twitter stellt. Und die Menschen antworten darauf, zwitschern fröhlich zurück. Dafür stehen ihnen 140 Zeichen zur Verfügung, eine SMS-Länge. Kurzmitteilungen an die Welt, die von überall abgesetzt werden können, via Mobiltelefon oder Internet-Browser. Was aber ist Twitter eigentlich wirklich? So viele Benutzer wie es gibt, so viele Antworten wird man finden. Twitter, das ist…
- doch reine Mitteilungsprosa im parataktischen Stil
- zu 140 zeichen gewordene, sinnstifende Alltäglichkeitsbeweise
- die Weltzentrale der Plattitüden
- bloße textuelle Interferenz
- eine Übersprungshandlung oder eine Art Fluchtsituation
- das Telegrafensystem des Web 2.0
„Twitter ist ein Service für Freunde, Familie und Kollegen, um zu kommunizieren und in Verbindung zu bleiben durch den Austausch von schnellen und häufigen Antworten auf die einfache Frage: Was machst du?“
Kurzum: All diese kleinen Geschichten der Menschen aus der Welt dazwischen, der Füllstoff in unserem Dasein; der Kitt, der die Fugen zwischen den Episoden des Lebens zusammenklebt oder sprengt, je nachdem, wie mans halt erwischt.
Und mit diesen über Twitter gelieferten Füllstoffen lassen sich nun ein paar ganz beeindruckende Dinge anstellen.
Ein Projekt, das sich genauer zu betrachten lohnt, ist Twistori, „A Twitter Zeitgeist Social Experiment“, so die Entwickler Amy Hoy und Thomas Fuchs. Twistori fischt im Twitter-Nachrichtenstrom nach ganz bestimmten Schlagwörtern: love, hate, think, believe, feel, wish, und versucht damit, einen Querschnitt menschlicher Befindlichkeiten innerhalb dieses Spannbogens zu finden. Den auf der Seite zum Download angebotenen Bildschirmschoner solltet ihr euch auf keinen Fall entgehen lassen.
Inspiriert fühlten sich die Twistori-Entwickler von einem anderen Projekt, das sich ebenfalls mit der Erkundung menschlicher Emotionen befasst, sich dabei jedoch nicht nur die über Twitter veröffentlichten Inhalte zu Nutze macht, sondern eine große Anzahl von Weblogs nach Phrasen wie „I feel“ und „I am feeling“ durchforstet. We Feel Fine nannten Jonathan Harris und Sep Kamvar ihr Projekt, das die Gefühle der Menschen in einer bunten Pixelwolke visualisiert. We Feel Fine geht dabei noch einen Schritt weiter. So lassen sich neben Alter und Geschlecht auch der Ort, das Datum und sogar das gegenwärtige Wetter als Suchkriterium definieren. Ansehen Pflicht, alleine schon der Farbenpracht wegen.
Zwei weitere Projekte will ich der Vollständigkeit halber hier noch erwähnen, auch wenn sie nicht mehr ganz so neu sind. Twittscoop stellt die am häufigsten via Twitter veröffentlichten Begriffe dar. Was noch recht unspektakulär klingt, macht spätestens dann Sinn, wenn man auf die „Play“ Taste der Seite klickt. Nun verändert sich nämlich die Schriftgröße der Begriffe, abhängig vom Grad ihrer Häufigkeit. Schwerpunkte tauchen so in Minutenschnelle auf und verschwinden ebenso schnell wieder, wie sie gekommen sind. Ein gutes Hilfsmittel, um eine grobe Übersicht über das momentane Netzgeflüster zu bekommen.
Twittervision darf hier natürlich auch nicht fehlen. Einer der ersten Dienste, der sich die öffentliche API, also die Programmierschnittstelle von Twitter zu Nutze machte. Twittervision verknüpft die Ortsangaben der Twitter-Mitteilungen mit einer Weltkarte von Google. Was dabei rauskommt, ist eine geographische Visualisierung der Tweets in Echtzeit. Das lässt die Welt ein Stück kleiner werden. Zu sehen, dass Menschen überall auf diesem Planeten eigentlich immer die selben, kleinen Probleme und Gedanken haben, schafft darüber hinaus so etwas wie Verbrüderung im Geiste.
So, und nachdem ich jetzt drölfmillionen mal Twitter gesagt habe, ist mein Mund ganz fransig und ich habe keine Lust mehr.