Stars shining bright above you

Ein ganz normaler Abend mit Sonnenstürmen, schlechtem Fernsehprogramm und Kopfschmerzen.

Polarlichter erhellen das Firmament über mir. Blutroter Schimmer färbt das Schwarz der Nacht bedrohlich. Ein glimmendes Band, gespannt von einem Rand des Himmels zum Anderen. Herrlicher Anblick.

Harald SchmidtIch habe Kopfweh. Ich stehe in der Kälte hinter dem Haus und habe ganz einfach nur Kopfweh. Pochend, pulsierend, dumpf. Mit Sicherheit liegt das nicht am elektro-magnetisch aufgeladenen Teilchenstrom, den uns da die Sonne ins Haus schickt. Aber wer weiß? Vielleicht bringt unser aller Hauptgestirn nicht nur die Partikel in der Atmosphäre sondern auch die in meinen zerebralen Leitungen zum Glühen? Fein. Jetzt bin ich nicht nur ein empfänglicher Indikator für all die irdischen Wetterlagen, jetzt reagiere ich schon auf Sonnenstürme. »Och, uuh, nein Schatzi, heute nicht, mir ist nicht danach. Hmm, ooh, ob mein Kopf wieder weh tut? Jaja, heute sind die Sonnenstürme besonders schlimm. Nein, nein, danke, das mit der Schmerztablette ist lieb gemeint.«

Ich gehe zurück ins Haus. Die Lichter am Himmel werden schwächer, sie verblassen und verschwinden allmählich in der Tiefe des Alls, gerade dort, woher sie kamen. Der Terror in meinem Hirn bleibt. Ich lösche das Zimmerlicht. Dunkelheit.

Also das wird mir jetzt zu blöd und schalte den Fernseher ein. Mattes, flackerndes Licht, zuckende Schatten. Ausser der Harald Schmidt Show läuft sonst nichts anständiges in der Informationsanstalt, also lasse ich mich von der kölschen Kalauer-Kanone beschiessen. Volle Breitseite.

Das Blut in meinem Schädel hämmert gegen meine Stirnplatte. Stechende Schmerzen nur vorne links. Aneurysma? Hirninfarkt? Tumor? Mann, geh zum Arzt! Ich erinnere mich an die Gestalten in der Neurochirurgie, rasierte, kahl geschorene Köpfe, gefesselt an Bett, Rollstuhl oder Infusionsflaschen. Eingefallene Gesichter, verkabelt und verdrahtet an eine Hundertschaft von fiependen und piependen Maschinen. Arme Teufel.

Schmidts Zynismus erreicht mich nicht, er kommt noch nicht mal bis zu meinem reaktionären Zentrum im Gehirn für den Audio-Input ran. Meine Kopfschmerzen werden nicht besser. Geblendet von der Fernsehapparatur kneife ich die Augen zusammen. Nervöse Lichtpunkte und bunt-pixelige Silhouetten tanzen vor mir. »Bagdad. 7 Tote bei einem Anschlag auf einen US-Konvoi« und ich weiß, dass es die zwölf Uhr Nachrichten sein müssen.

Ich stehe auf, gehe im Zimmer auf und ab und reibe mit der Hand über meine Stirn. Schmerztabletten habe ich nicht, also versuche ich es mit kaltem Wasser. Ich ziehe mein Hemd aus, beuge mich über das Waschbecken und lasse den eiskalten Strahl über meinen Kopf laufen. Unter dem Wasserhahn ist es schon toll, hier könnte ich länger bleiben. Die Schmerzen lassen nach und ich schaue in den Ausguss.

Nach einer Weile drehe ich den Hahn zu und richte mich auf und denke gar nicht daran, mich abzutrocknen. Das Wasser perlt über meinen Halsgrat hinab zur Brust. Ein paar Tropfen verirren sich in meinen Bauchnabel, sammeln sich dort, rinnen weiter und werden vom Stoff meiner Unterhose aufgesogen. Dumm, jetzt sieht das aus, als hätte ich mich vollgepisst. Naja, egal.

Ich gehe zurück ins Wohnzimmer, zappe noch ein wenig durch das Zombieland. Das Hemd habe ich erst gar nicht angezogen, mein nackter Oberkörper klebt auf dem kühlen Kunstleder meines Sessels, die Schaltung in meiner rechten Hand. Schlagerparade der Siebziger auf MDR, Hitlers-Offiziere auf Phoenix, 9live will wissen, wie viele Dreiecke ich sehe, belohnt die richtige Antwort mit 500 Euros und die Moderatorin bekommt sich gar nicht mehr ein vor lauter »Supi, supi, locker verdientes Geld«. Ein Platz weiter auf DSF ziehen sich Mädels aus und reiben ihre nackten Ärsche an einer Hantelstange. Also irgendwo reichts, Sendeschluss, aus, ende, vorbei. Bevor ich versehentlich über Gotthilf Fischer mit seinen Fischer-Chören zappe, erkläre ich die Fernsehschau heute für beendet.

Ich liege im Bett, die Augen offen, starr blickend auf den Schein der Straßenlaterne, der die Holzarmatur über mir beleuchtet. Leise klingt Roy Black in meinen Ohren. »Du bist nicht allein, wenn du träumst heute Abend.« Ich träume nicht, denn ich schlafe nicht. Ich liege und kucke, liege und warte, liege und denke.

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