Die fünf Pforten der Manipulation

Ralf Grauels Thesenpapier: Ein Faksimile, für mich sehr bedeutend, weshalb ich hier es im Original wiedergeben möchte. Eine lasergenaue Beobachtung systemimmanenter Manipulationen. Vielleicht nicht mehr ganz taufrisch (das Papier wurde bereits 2002 veröffentlicht), was der Schärfe der Betrachtung jedoch keinen Abbruch tut.

Wissenschaftsakademie Berlin
Herbsttrimester 2002
Freitag, 22. November, 20 – 22 Uhr (c.t.)
Kompaktseminar: „Die fünf Pforten der Manipulation“
Dozent: Ralf Grauel
Seminarort: Torstrasse 94 (Redesigndeutschland), Berlin-Mitte

Thesenpapier:
In allen Systemen wird manipuliert. In biologischen Kreisläufen, bei der Militärausbildung, im täglichen Umgang miteinander, sogar auf mikroskopischer Ebene findet man Zeichen von Manipulation.
Egal ob bei Parasiten, beim Militär oder in der Werbung. Manipulation lebt von Platzhaltern, von Bildern und Signalen, die etwas Eigentliches, Ursprüngliches verdecken und es mit neuen Signalen ersetzen. Oder aber sie ruft fertige Verhaltensmuster ab, die dem Zwecke des Manipulators dienen, nicht aber denen des Opfers.
„Manipulation ist Verhaltensbeeinflussung zu fremden Nutzen.“ (Rupert Lay)
Alle Systeme zeichnet noch etwas anderes aus. Sie sind Kreisläufe. Interessanterweise würden viele dieser Kreisläufe ohne die Manipulatoren, ohne die kommunikativen Strippenzieher, in sich zusammenbrechen.
Das gilt für die Psychologie, die Biologie genau so wie für die bunte Welt des Konsums.
Das Prinzip bleibt gleich. Die Wirklichkeit wird abstrahiert, distanziert. Eine Simulation übernimmt. Das Zeichen wird stärker als das Original. Das vorherige System oder Signal verschwindet, bis die manipulierte Botschaft übernimmt.

Manipulierte Information ist eine Magenpille im Zuckermantel, ein trojanisches Pferd.
Ein Selbstmordbefehl, der wie eine Erlösung klingt.
Ein Opferungsbefehl, der sich wie Sex anfühlt.
Eine als Unterhaltung verkleideter Kaufbefehl.
Die Frage ist, wie funktioniert das?
Wie bringt man einen Menschen dazu, sich gegen seinen eigenen Willen, manchmal sogar gegen seinen Instinkt zu verhalten?

Schritt 1: Trenne das Opfer von der Herde.
Trennung erzeugt Schuld. Schuld erzeugt Abhängigkeit.

Schritt 2: Beobachte es. Lerne es kennen. Finde den Eingang.
Nichts hat so viel Macht über einen Menschen, wie seine eigenen Emotionen.

Schritt 3: Baue Dich ein. Je tiefer umso besser. Lösche was nicht passt. Werde es.
Schichtweiser Abtrag der Persönlichkeit durch konstanten körperlichen und psychischen Stress. Das Opfer nimmt die Botschaft in sich auf. Die benötigten Steuerungsimpulse werden minimal.

Schritt 4: Erteile neue Befehle. Deine Befehle.
Es ist nie wichtig was jemand tut, sondern nur für wen er es tut. Soziale Hierarchie ist der Schlüssel zum Erfolg. Autorität, Freundschaft, sexuelle Reize. Im Innneren des Organismus.

Schritt 5: Unterstütze es. Gib seinem Handeln einen Sinn. Und gib ihm eine neue Herde.
Immer eine Ausrede für den rationalen Teil, das letzte bisschen Verstand, nachliefern.
„Lässt der Widerstand des Subjektes nach, wird es Zeit, ihm einen gesichtswahrenden Grund oder eine Entschuldigung für seine Gefügigkeit zu liefern.“ (CIA)
„Kunden brauchen immer eine rationale Entschuldigung für ihre emotionale Entscheidung. Deswegen: Stets eine liefern.“ (David Ogilvy, Werber)

Vertreibung schafft Schuld.
Schuld schafft Abhängigkeit.
Abhängigkeit fördert Konsum.

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