Man kann von Facebook halten, was man will: ewiger Orkus, in dem unsere Privatssphäre verschwindet; Ego-Booster und Selbstinszenierungsmaschine 2010; beste Plattform, um mit seinen Freunden in Verbindung zu bleiben; netter Zeitvertreib vs. Verschwendung von Lebenszeit u.s.w. Spätestens nach der x-ten Farmville-Anfrage, der Einladung zum Quiz „Welcher Kohlrouladentyp bist du?“ oder „Michael hat Würstchenbude in Mafia Wars erobert“-Statusmeldung wird einem jedoch klar: Facebook nervt.
Dabei ist der Kern der Kritik nicht die irritierenden, weil weitestgehend sinnlosen Statusmeldungen und Myriaden zweifelhafter Spiele-Einladungen, sondern der Umstand, dass Facebook im Grunde genommen ein Hort der oberflächlichen Nettigkeiten und der breiigen Kritiklosigkeit ist.
Es fehlt dieser Plattform eindeutig ein gewisses Niveau der „Arschlochigkeit“; es fehlt die Kehrseite, es fehlt die Möglichkeit einer öffentlich zelebrierten Ablehnungshaltung. Es gibt den „Gefällt mir“-Button, mit dem man seine Zustimmung zu Beiträgen gleich welcher Art signalisieren kann. Warum gibt es keinen „Gefällt mir nicht“-Button?
Es gibt „Freundeslisten“, in der die zarten Kontaktpflänzchen gehegt und gepflegt werden können. Warum gibt es nicht auch eine „Hassliste“? Und mehr noch, ähnlich dem System der Kaufvorschläge bei Amazon auch Entsprechendes bei Facebook: „Freunde in deiner Liste, die diesen Kontakt hassen, hassen auch folgende Kontakte.“ Wenn man schon Menschen, Firmen oder Institutionen auf Facebook findet, die man auf den Tod nicht ausstehen kann und Zeit ihres erbärmlichen Lebens auf dem Bullshitradar aufblinken, dann möchte man das der Welt doch auch bitteschön zeigen.
Oder dieses unsägliche „anstupsen“, um jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Warum nicht treten? Warum nicht rempeln? „Du wurdest von Marta angerempelt. Zurückrempeln?“ Das entspräche doch unserer vielzitierten Ellbogengesellschaft; das wäre das virtuelle Abbild einer sozialen Gemeinschaft par excellence, eine Gesellschaft der Gutheisser kann da nicht funktionieren. „Ich bin ein Fan von Sommer“, warum dann nicht auch konsequenterweise „Ich bin kein Fan von Klimaerwärmung“?
Natürlich ließe sich nun einwenden, dass auf Facebook sehr wohl kritisiert und konstruktiv debattiert wird. Schließlich gäbe es ja genügend Gruppierungen, die sich mit ernsthaften Themen beschäftigen, wie z.B. die Gruppen „100.000 Veganer sagen NEIN zu Kalbsragout!“ oder „Schützt das Wachtelei!“, nicht zu vergessen „Justin Bieber is a fucking moron!“ und natürlich der „Verein zur Reinerhaltung des Gotischen Kulturguts und die Rettung des Seepferdchens“. Aber das ist nicht das Problem. Problem ist, dass Facebook die Funktionen einer öffentlich zelebrierten Ablehnungshaltung im Kern nicht implementiert hat und uns damit zum gegenseitigen Eierschaukeln und Bauchpinseln nötigt. Einzige Lösung: ein Nicht-Verhalten, gemäß dem Motto „You don’t exist until you are in my contact list.“
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