Gewohnheit

Durch die Straßen fahrender Blutspendeaufruf, ein blechernes Megaphon, das die Stimme des Sprechers in den höheren Vokalen abbrechen lässt. Lockmittel aus den Betonhäusern.
Große Kaffeehausketten, auf Kunstledersesseln gestrandete Fashionistas, blähend wie Wale in der Sonne, schlürfen maximalgelangweilt ihre Latte Macchiatos.
Der Kunde an der Kasse von Aldi regt sich über die Kassiererin an der Kasse von Aldi auf, während sich die Kassiererin an der Kasse von Aldi über den Kunden an der Kasse von Aldi aufregt, während sich all die anderen wartenden Kunden an der Kasse von Aldi über den sich aufregenden Kunden und die sich aufregende Kassiererin an der Kasse von Aldi aufregen.
Und alle versuchen dabei so unaufgeregt wie möglich zu erscheinen.

Draussen scheißt ein Hund.

Autobahnraststättentests in der Zeitung und im Fernsehen und im Radio; in der U-Bahn oder Straßenbahn, jeder wird jetzt ein kleinwenig rummeinen. (Das darf man ja wohl noch! Das darf doch wohl nicht wahr sein?)
Und der Peter wird vom Papa im Kinderzimmer geprügelt und später dann schwer misshandelt, weil er die Erwartungen der Großenwelt nicht erfüllt, einerseits; und weil dem Papa andererseits schon immer stark das Blut in der Hose pochte, wenn er den Kleinen am Kinderspielplatz zusah.

Und irgendwo anders nimmt sich jemand das Leben.
Und die Blumenverkäuferin verkauft einen Nelkenstrauß.

Und Peter wird sich in fünf Jahren das Leben nehmen.
Von heute an, fünf Jahre rückwärts, verstehen Sie das?
Und noch ein Jahr
und noch ein Jahr
und noch ein Jahr
und noch ein Jahr und noch ein Jahr.

Es ist Zahltag, jeder darf heute ein wenig beitragen zum allgemeinen Unmut in unserer Hochkultur (sog.); hier unser Beitrag, unsere kleine kakophonische Intonation maximaler Langeweile.
Wir sind draussen.
Und Deutschland funktioniert.

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