Facebooks Sozialexperiment – Warum wir tun, was wir tun

In regelmäßigen Abständen spült es die Eindrittelparanoia der Erste Welt-Bevölkerung nach oben, gerne in Form von Beiträgen zu Facebooks omnipotenter Informationsgeilheit nach orwellschem Muster. Dystopie galore, nun gut, soweit nichts neues aus dem Westen.

Zwei Beiträge, die in dieser Woche zu dem Thema veröffentlicht wurden zeigen sehr deutlich, wie weit das Leistungsspektrum von null bis total tolle Totalkontrolle reicht.

Facebook glaubt, dich zu kennen, hat aber keine Ahnung – Vice Magazine
Blödelige Vollgasnaivität nach dem Motto: „Hey Facebook, solange du mir komische Werbebanner einblendest, kennst du mich ja gar nicht richtig.“
Yeah, Vice, kiff weiter.

Facebook manipuliert die Nachrichtenfeeds der Benutzer für ein psychologisches Experiment — Daring Fireball
Und um dieses Ding geht es hier: John Gruber, der wiederum den AV Club zitiert, bringt hier eine interessante Studie, die mich tatsächlich keine zwei Sekunden überrascht. Freiheraus übersetzt liest sich das so:

„Facebooks Wissenschaftler haben ein Dokument veröffentlicht in dem sie beschreiben, wie sie den Inhalt von 600.000 Benutzern der Platform manipulierten. Der Versuch sollte bestimmen, inwiefern der emotionale Zustand dieser Benutzer beeinflusst werden könne. Das Dokument mit dem Titel „Experimenteller Beweis für massenhafte emotionale Ansteckung in sozialen Netzwerken“ erschien in The Proceedings Of The National Academy Of Sciences. Es zeigt, wie Facebooks Datenwissenschaftler den Algorithmus justierten, der dafür zuständig ist, welche Beiträge in der Timeline der Benutzer auftauchen — genauer gesagt veränderten die Forscher die Anzahl der positiven oder negativen Begriffe in den Timelines von zufällig ausgewählten Benutzern.
Facebook analysierte daraufhin die zukünftigen Beiträge der betroffenen Benutzer, die diese im Laufe einer Woche veröffentlichten um zu sehen, ob sie von sich aus mit einer erhöhten Positivität oder Negativität reagierten. Damit sollte der Frage auf den Grund gegangen werden, ob emotionale Zustände über ein soziales Netzwerk übertragen werden können.“

Ergebnis: sie können! Tadaa!
Tolle Neuigkeiten für die Datenwissenschaftler bei Facebook, die mit Hilfe dieser Ergebnisse Standpunkte der modernen Psychologie bestätigen möchte. Eher semitolle Neuigkeiten für die restliche Menschheit, die sich von geheimen Experimenten nicht in die Gefühle pfuschen lassen möchte.

John Gruber weiter…
„Das ist ziemlich kontrovers. Aber ehrlich gesagt bin ich nur davon überrascht, dass irgendjemand davon überrascht ist. Ja, das ganze ist echt gruselig. Es zeigt den totalen Mangel an Respektlosigkeit für die Privatsphäre der Nutzer und die Seriosität ihrer Inhalte. Aber ratet mal: das ist Facebook.
„Leg mich einmal rein, Schande über dich. Leg mich zweimal rein, Schande über mich“, so das Sprichwort. Leg mich zwei Dutzend mal rein — dafür gibt es kein Sprichwort.

Update 30.06.14: Kontroverse um Studie zeigt, dass Facebook als Unternehmen erwachsen werden muss – Neunetz.com
Update 05.07.14: Need to know: About Facebook’s social contagion study – ideas.ted.com
Update 06.07.14: I Left Facebook, And You Can Too — Jessica Ferris on Medium.com
„Facebook doesn’t want to strengthen your relationship with loved ones. It wants to strengthen your relationship with Facebook.“

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