Sprachgedanken

Halte den neuen Lidl-Prospekt für nächste Woche in Händen, alles zum Thema Gartenbau, Bad, Motorrad, Küche und natürlich Ostern.
Besonders das Thema Gartenbau hat es mir mit seinen Wortzusammenstellungen angetan: Falttonne, Beetplatten, Kniekissen, Wuchshilfen und, weil besonders die Menschen in Mitteleuropa zu Ostern traditionell schon immer gerne Holztäfelchen verziert haben, auf Seite 14 ein Brandmalkolben, 16-teilig.

Lokale Tagespresse, großer Aufmacher, ein Schuttberg ist zu sehen, Bagger und anderes schweres Gerät, ein altes Fabrikgebäude, steht dort, wird „rückgebaut“.
Früher nannte man solche Maßnahmen Abriss oder Abbruch, wenn Bagger anrückten, um etwas dem Erdboden gleich zu machen. Heute bezeichnet man dies als Rückbau, ein neuer Euphemismus, es wird dabei nämlich etwas gebaut, es geht etwas vorwärts, nur halt eben in die andere Richtung, also quasi rückwärts. Abriss klänge auch viel zu negativ, viel zu gewalttätig (etwas bricht oder reisst), viel zu endgültig und darüber hinaus müsse man ja eventuell eingestehen, dass man für das Alte keine Verwendung mehr fand oder die ganze Sache eine gar absurde Angelegenheit war.

Dann etwas später, auf dem schwarzen Brett der Gemeinde, ein Aushang, es solle über ein Raumordnungsverfahren1 einer neuen Gashochdruckleitung abgestimmt werden.
Ich stelle mir vor: Ein Verfahren, bei dem darüber abgestimmt wird, wie der Raum neu geordnet werden soll; wie Claims abgesteckt werden, vielleicht nicht mehr mit dem Colt verteidigt; wie so lange Unterschriften gesammelt, Beschlüsse gefasst, debattiert, beschlossen und „basisdemokratisch“ abgenickt wird, bis alles auf der Welt Gewerbegebiet ist, durchzogen mit Gashochdruckleitungen.
Den Raum, die Natur neu ordnen zu wollen, das klingt für mich gewalttätig, das klingt für mich ziemlich schizophren.
Mein liebes deutsches Beamtensprech, du bist immer ein Garant für gruselige Wortzusammensetzungen.

  1. „Das ROV stellt ein vorklärendes Gutachten zur Beurteilung der Raumverträglichkeit raumbedeutsamer Einzelvorhaben mit überörtlicher Bedeutung dar (…)“, Wikipedia []

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