500 Kilometer sollten reichen, um sich ein Bild zu machen. Der ultimative, übertrieben-ins-Detail-gehende Luna Sandals Laufsandalen Testbericht, inklusive Auspackzeremonie und sozialkritischen Überlegungen zu Absatzschuhen. Echt jetzt.
Nachdem die Temperaturen hier im kunstfaserbejackten Süddeutschland seit Ende März endgültig über die Nullgradgrenze in den positiven Bereich geschossen sind (und momentan leider wieder stark nach unten tendieren) machen längere Läufe in Sandalen wieder Spaß, ohne sofort blaue Zehen riskieren zu müssen.1 Dazu kommen noch zwei gute Nachrichten. Erstens, Luna Sandals neue Huarache The Mono (spanisch für Affe) kommt gerade rechtzeitig zum Sommerstart auf den Markt und durch eine wahnsinnig schicksalhafte Begegnung mit dem German Chief Monkey in meine Hände, bzw. an meine Füße. Und zweitens bekommt man Barefoot Teds Sandalen aus Seattle endlich auch ganz offiziell hierzulande, ohne sechs Wochen däumchendrehend auf ein internationales Paket zu warten.
„And at one point of evolutionary history, our ancestors, more monkey than human, created the first sandal – the best invention so far since bipedalism.“– Charles Darwin
Verarbeitung & Eigenschaften
Es gibt momentan drei verschiedene Sandalendesigns von Luna Sandals. Die Venado ist die leichteste und dünnste Sandale mit viel Barfußgefühl, perfekt für den Einsatz in flachem Gelände und auf Teer. Die Leadville (die bald von der Oso abgelöst wird) deckt das obere Ende ab. Allen Hardcore-Trail Aficionados, die ein grobes Sohlenprofil für den Einsatz im Gelände brauchen, zaubert dieses Ding ein breites Grinsen in’s Gesicht. Die Mono füllt die Produktlücke dazwischen, eine Allzweckwaffe, quasi der 360 Roundhouse-Kick aktuellster Sandalenfertigung, perfekt für Straße, Gelände und leichte bis mittelschwere Trails2 Und um eine lange Geschichte kurz zu halten: Die Mono ist Premium!
Die Verarbeitung ist absolut hochwertig. Es gibt sie wahlweise mit Pittards Ziegenleger-Fußbett, das sehr schick und komfortabel ist und im Vergleich zu dem alten, nicht aufgerauten Leder-Fußbett deutlich mehr Griffigkeit besitzt. Oder dem MGT-Fußbett, einer Art superklebendem Gummibezug, der richtig Halt gibt, wenn’s besonders nass wird. Ein elastisches Fersenband rundet das Ganze ab und ermöglicht problemlos schnelles an- und ausziehen. In meinen Augen der wichtigste, jedoch ziemlich sicher am meisten vernachlässigte Aspekt: Die Sandalen werden bequemer, je länger man sie trägt. (Behauptet das mal von Schuhen!) Das biegsame Leder-Fußbett formt sich nach den individuellen Konturen des Fußes, was Passform und Komfort im Laufe der Zeit verbessert. Je mehr man sie also trägt, desto mehr liebt man sie.
Die Strecken im letzten Jahr mit meinen originalen Huaraches führten mich kilometerweit über Schotterfeldwege, quer über Wiesen und durch das Unterholz der Münchner Hinterlandwälder, durch Asphaltwüsten und Waldfriedhöfe. Das lief eigentlich alles immer ziemlich wunderbar. Der flache Lederriemen meiner alten Lunas scheuerte jedoch auf sehr langen Strecken manchmal sehr, das Schnüren dauerte länger. Und während ich unterwegs war musste ich oftmals nachschnüren, weil sich die Knoten lockerten.3 Ausserdem ist eine dünnere Sohle auf längeren Trailpfaden mit spitzen Steinen nicht immer ideal. Jeder, der mal beim Barfußlaufen mit dem Großzehengelenk auf einen Stein trat, wird die den Hirnstamm umarmende, wärmende 1A-Schmerzqualität zu schätzen wissen. Mit der Mono werden genau diese Kritikpunkte adressiert. Die 12mm dicke Vibram-Sohle ist dick genug, um das Gröbste vom Fuß zu halten, aber immer noch weich und flexibel genug für den normalen Straßen- und Alltagseinsatz.
Aussehen
Und das ist der springende Punkt: Die Mono ist die ideale „Geh überall hin, mach alles damit“-Sandale. Sie passt zur Jeans wie zur Laufhose wie zum Holzfälleroutfit wie zum Baumwollröckchen (sollte wirklich jemand Bedarf haben, in einem Baumwollröckchen laufen zu gehen, ihr kranken Gehirne), und eignet sich damit perfekt für meine Zwecke. Meine Alltagsschuhe müssen lauftauglich sein, damit ich aus dem Stand heraus losstarten kann. Immer. Überall. Sei es, um die Tram zu erwischen oder, da nun der Sommer anklopft und Blüten blühen und Hormone hormonen und der gemeine Spitzwegerich sprießt, wildgewordenen und wahnsinnig leichtbekleideten Frauen zu entkommen, die es auf mich abgesehen haben.4 Ganz nebenbei sehen die Monos einfach superb und unauffällig aus.
Dazu trägt auch die ATS-Bindung bei, wie sie bei Rucksäcken zu finden ist. Man sieht mit dieser Bindung nicht mehr ganz so sehr nach Spartacus-Krieger aus, wie bei der traditionellen Schnürung, wobei das im Alltag manchmal ganz praktisch sein kann. Wartet mal auf die Gesichter der Leute in der Einkaufsstraße, wenn ihr „THIS IS SPARTA!!“ brüllend aus einem Laden rennt. Selten wird euch so schnell Platz gemacht. Vor allem aber ist diese Schnallenbindung einfach justierbar und gibt einen bombenfesten Halt. Tatsächlich die erste Bindung an einer Laufsandale, die bei mir absolut keine Blasen oder Reibstellen verursacht.
Vergleich
Auf dem Foto, von unten nach oben: die FeelTrue-Sohle der Sandalen von Xero-Shoes, 4mm dünn, tolles Barfußgefühl, auf steinigem Gelände jedoch ziemlich herausfordernd, die Original Huarache mit 6mm Neopren-Gummi, ganz oben die Mono.
Man sieht, dieser Sandale brauchst du nicht blöd kommen! Für den normalen Asphalt-Champion, der jeden Tag seine Hausrunden dreht reicht eine normale Sohle natürlich auch. Aber sind wir Monster oder Roggenbrötchen!? Der nächste Anreiz die Straße zu verlassen und wild durchs Gelände zu jagen wartet immer. Überall. Jederzeit.
Sandalen – die beste Erfindung seit Bipedalismus
Seit drei Jahren laufe ich in Sandalen. Wir reden nicht bloß vom alltäglichen rumlaufen, sondern von laufen im Sinne von rennen. Das hat viele Gründe, vor allem aber einen ganz basalen: Ich laufe damit schmerzfrei, was vielleicht zunächst weniger an der Sandale, als an der Lauftechnik liegt. Was das Fußwohlfühlklima eines Schuhs verglichen mit einer Sandale betrifft, so stinkt jeder Schuh dagegen ziemlich ab – im wahrsten Sinn des Wortes. Die Füße sind nass, wenn sie nass sein müssen und trocken, wenn sie trocken sein müssen. Punkt. Aber mich interessiert noch mehr.
Sandalen sind für manche vielleicht bloß eine Modeerscheinung, ein Flip-Flop-Accessoire, um ihre betonte Lässigkeit nach aussen zu tragen. Diese Leute sollten weiterhin ihre Polohemdkragen nach oben klappen und die lachscremefarbenen Tommy Hilfiger Pullover betont frech über die Schulter werfen. Denn der wahre Scheiß ist:
In Sandalen laufen ist ein Lebensstil.
Revolution is afoot – Ein paar sozialkritische Überlegungen zum Barfußlaufen, Sandalenlaufen und Laufen in Schuhen mit Absätzen.
Das hat in erster Linie weniger was mit Ökokisten, Jesus oder römischen Legionären zu tun, als vielmehr damit, das Prinzip „Tag am Meer“ als Lebensmaxime auszurufen. Es ist quasi eine innere Nivellierung der Sandalenträger, einer in Korrektheit und maximaler Angepasstheit überbordenden Gesellschaft zu entkommen.
Ist jemand, der seine Füße so exponiert ein Fußfetischist? Darüber muss ich in einem anderen Artikel mal in Ruhe nachdenken, aber ich glaube nicht. Zeigt jemand Fuß, so lässt er aber mit Sicherheit immer auch ein gewisse Intimitätsbarriere fallen. Barfuß- und Sandalenlaufen ist also auch ein kleines Zugeständnis an das Menschsein.
Die meisten Stadtmenschen gehen barfuß nur auf den Balkon oder vielleicht ins Bad. Sind sie dann barfüßig oder mit Sandalen draussen, wird ihnen vor allem an den Blicken der anderen auffallen, wie sehr Schuhe in der westlichen Zivilisation als Kulturgut und Statussymbol angesehen werden. Wer keine Schuhe trägt, ist sofort stigmatisiert. Entweder er ist bescheuert, oder ein Querulant oder arm und kann sich keine „richtigen“ Schuhe leisten oder alles auf einmal. Auf jeden Fall wird dem Barfußläufer abwechselnd Verachtung oder Bedauern entgegen gebracht, seltener jedoch Anerkennung. Aber wenn, dann aus tiefstem Herzen.
Und noch etwas. In Europa tauchte der Absatz bei Schuhen erstmals im 16. Jahrhundert auf und war bis zur Französischen Revolution, die die Absätze wieder abschaffte, nicht bloß ein äußeres Zeichen von Wohlstand und Adel, sondern nach meinem Ermessen von jeher auch eine künstliche Selbstüberhöhung des Charakters: vom normalen, bodennahen Blickwinkel zum „Einen halben Kopf größer“-Gefühl. Betrachtet man Absatzschuhe also ein Korrektiv für Minderwertigkeitskomplexe, wird einem ziemlich schnell klar, warum diese Menschheit lasergesteuerte Bomben auf Bauern in Afghanistan abwirft oder bei der nächsten Detroit Motor Show so tut, als sei alles okay.
Dichtet Barfuß- und Sandalenläufern also niemals Hippietum an. Wir zelebrieren kein coming-out, sondern eher ein coming-down – zurück zum Wesentlichen, zurück zur Bodennähe.
Preisfrage: Selbstgemacht vs. Vorgefertigt
Das Tolle an Sandalen ist, dass sie prinzipiell jeder mit nur ein paar Euros selbst herstellen kann. Ausserdem entwickelt man, wie drüben bei Adventurous Habits schön beschrieben, einen besonderen Stolz, wenn man sich sein erstes eigenes Paar zusammengebastelt hat. Warum dann also 100 Euro für eine Sandale ausgeben?
Die Sandalen von Luna Sandals sind schlichtweg komfortabler und solider verarbeitet, als man es selbst hinbekommen würde. Es steckt ziemlich viel Liebe und Handarbeit drin. Luna Sandals ist eine kleine Manufaktur, die bloß eine handvoll Leute beschäftigt, die versuchen, damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
http://www.youtube.com/watch?v=Xz8H63cb8Mo
Klar sind die Dinger nicht günstig, aber ich halte es so: Gönnt euch auf jeden Fall ein oder zwei oder drei Paar Lunas, dann habt ihr ordentliche Laufsandalen, die locker viele tausend Kilometer halten. Aber baut ruhig auch mal eure eigenen. Nicht nur, um damit euer vollkommen individuelles Sandalenherstellungserlebnis zu zelebrieren, sondern auch um nachvollziehen zu können, wie die Entwicklung modernen Schuhwerks eigentlich ihren Anfang nahm.
Ihr könnt die Mono und alle anderen Modelle direkt über die Website von Luna Sandals bestellen (Affiliate-Link).
Galerie
Weitere Berichte und Fotos
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- Interessanterweise werden beim Laufen in Sandalen die Füße selbst bei sehr niedrigen Temperaturen nicht kalt. Solange sie in Bewegung sind und arbeiten, sind sie gut durchblutet. Ich bin in den letzten Wochen, als es noch etwas frostig war ein paar Mal nach meiner abendlichen Runde nach Hause gekommen und hatte normalwarme Füße. Meine Hände hingegen waren kalt, sie hatten nichts zu tun. [↩]
- Aber auch perfekt für steile, matschige und unfassbar unzugängliche Pfade, wie empirische Tests einwandfrei bewiesen haben. [↩]
- Das alles wurde etwas besser, als ich die Lederkordel mit einem weicheren Seil ersetzte. [↩]
- Achtung, maßlose Übertreibung an dieser Stelle! [↩]
Hallo Sebastian,
bin am überlegen mir die Luna Mono MGT (Teds Liebling) oder den Vibram Bikila LS für Bergläufe auf Schotter/Steine und Marathon auf Asphalt anzuschaffen (Sommer+Winter).
Laufe bisher mit Vibram KSO – auch im Winter im Schnee.
Bin beim Mono noch am zweifeln, ob das mit den Bändchen nicht zu Scheuerstellen führt und ob es im Winter nicht zu kalt wird hier in Oberbayern? Auch das mal eher Steinchen reinkommen, aber dafür dann auch gleich wieder raus. Und man hat so gar keinen Schutz mehr an den Zehen.
Beim Bikila soll es wohl auch am Zeh rote Flecken geben. Der Schuh wurde mir aber von Vibram tel. für die obigen Läufe (Sommer+Winter) empfohlen. Gut finde ich hier wie bei den 5F den Zehen+Fußschutz (Steine,Wetter) sowie die Zehenboxen, da meine kleine Zehe sich gerne unter die andere Zehe schiebt und dabei Blasen entstehen könnten?
Freue mich über Deine Tipps 🙂
Danke vorab
Hallo Thomas,
entschuldige, dass meine Antwort so lange gebraucht hat.
Ich bin mit 5F (Bikila und KSO) zwei Winter lang durch den oberbayerischen Winter gelaufen. Die Bikilas (wahlweise Spyridon) kann ich im Winter eher empfehlen als die KSO. Letztere haben überhaupt kein Profil, lass es also nur ein bisschen frostig und matschig sein und du kommst aus dem Rutschen nicht mehr raus. Aber das hast du bestimmt selbst schon festgestellt.
Größter Nachteil für alle Läufer, die gaga genug sind im Winter mit Fivefingers rumzugurken: die Kälte. Dadurch, dass jede einzelne Zehe in einer eigenen Box steckt, sinkt meiner Meinung nach die Durchblutung, die Füße werden kälter, als in einem Schuh mit geschlossener Zehenbox. Zehensocken machen das Ganze kein Stück besser. Erstens werden die Zehen noch mehr in den Fivefingers abgedrückt und zweitens saugen sie sich nach einiger Zeit mit Wasser voll, was in Kombination mit eisigen Aussentemperaturen ein noch unangenehmeres Gefühl ergibt. Auch das Modell Flow aus Neopren, mit dem ich mich ebenfalls einen Winter gequält hatte kann ich nicht empfehlen. Hält zwar die Feuchtigkeit draussen, sorgt aber auch dafür, dass der Schweiß am Fuß bleibt. Plus traben durch die Winterwunderlandschaft und du hast ein fantastisch frostig-ekliges Laufgefühl an den Fußen.
Also: Barfußgefühl hin- oder her, Fivefingers sind im Winter exakt nullkommanull Prozent komfortabel.
Mit Sandalen im Winter sieht es ähnlich aus. Keine Frage: Es gibt halt einfach ein paar ziemlich triftige Gründe für Schuhe.
Du kannst dir natürlich ein paar ordentlich warme Tabi-Socken holen. Dadurch, dass alle Zehen zusammenbleiben und nur der große Zeh getrennt ist bleibt der Fuß insgesamt wärmer, als in Zehensocken. Gegen Tiefschnee und Schlammpfützen hilft auch die beste Wolle vom glücklichsten Merinoschaf Neuseelands nix, da ist Die-Hard-Attitüde gefragt. Es gibt natürlich auch Tabi-Socken aus Neopren aber… zur Hölle nochmal, sind wir Monster oder Roggenbrötchen?
Darum mein Tip: Abwechslung. An Tagen Schrägstrich Wochen, die richtig tiefschneemäßig eklig sind und es mit den Temperaturen in den Keller unter dem Keller unter dem Keller geht, laufe ich mich Vivobarefoot, Evo zum Beispiel. Flach, flexibel, wasserabweisend, geschlossene Zehenbox und, hell yeah!, man kann auch mal Socken tragen!
Wenn es kalt und trocken ist und ich nicht unbedingt dreieinhalb Stunden durch die Isartrails jage, dann laufe ich mit der robustesten Laufsandale, die es momentan gibt: den Oso’s von Luna Sandals (Testbericht folgt).
Ungläubige Blicke anderer Läufer garantiert.