Eine mögliche Erklärung, woher das mit der Besinnlichkeit und der Liebe, dem füreinander da sein und dem ganzen Zirkus in dieser Jahreszeit herkommt leuchtete mir ein, als ich neulich eine BBC Doku über unseren Planeten sah. Dieses Christending, die Geschichte mit der Herbergssuche und der Geburtstagsparty im Stall, die Reisenden aus dem Morgenland und die Geschenke usw., das ist ja alles schön und recht und sicherlich auch eine ganz tolle Metapher. Aber das ganze Brimborium, das man zu Weihnachten veranstaltet verschleiert meiner Meinung nach den wirklichen Grund, weshalb wir in den letzten Tagen des Jahres doch etwas mehr als sonst den anderen zuhören, uns zusammensetzen und uns gemeinsam erinnern, uns Zeit füreinander nehmen und uns nicht alles komplett egal ist. Es liegt an der Kälte! Und das wiederum liegt an der gekippten Erdachse. Und das wiederum liegt an… ach, das führt jetzt zu weit.
Von jeher war es in dieser harschen, unerbittlich rauen Zeit wichtig, dass die Menschen aneinanderrückten und etwas mehr als sonst aufeinander schauten. Gut, das war lange vor der Erfindung der Fußbodenheizung und billigen Gaslieferungen aus Russland. Aber es wirkt auch heute immer noch nach. Dass unsere Herzen weit werden weit liegt nicht an imaginären Engeln, die irgendeine verklärte Botschaft frohlockend hinausposaunen; dass wir besinnlicher werden nicht am konsequenten ignorieren des inneren Eichstrichs mit Hilfe von Glühwein. Das kollektive Zusammenrücken ist eine Art innerer Trieb. In dieser BBC Doku sah man Kaiserpinguine in der Zeit des antarktischen Winters. Und was machen Pinguine in der Antarktis bei nicht mehr ganz so kommoden minus 40 Grad? Die rücken sich mehrere Monate lang auf den Pelz. Die stehen da rum, in großen Gruppen zusammengepfercht, kraulen und wärmen sich gegenseitig. Kälte, Zusammenrücken, das steckt auch noch in unserer DNA.
Vielleicht ist es das, was mich in den unmittelbaren Wochen vor Weihnachten manchmal etwas mißmutig macht. Diese nahezu nicht miteinander zu vereinbarende Abspaltung, die von den zwei extremen Seiten, wie unsere Gesellschaft diese Zeit begeht ausgelöst wird: Das künstlich forcierte Gutmenschentum. Die Spendenaufrufe als Dauerwerbesendung. Das Fadenscheinige des alles überragenden Konsumismus. Das Widersprüchliche, wenn von der staden Zeit die Rede ist, während viele im von Terminen vollgestopften Dezember kein Land mehr sehen. Das Heuchlerische, wenn die großen Kirchen das Festhalten an Sekundärtugenden reklamieren, die in den restlichen 364 Tagen des Jahres aber weitestgehend von der Egomanie des Einzelnen über den Haufen geworfen werden. Auf der einen Seite.
Auf der anderen Seite steht, massiv und unverrückbar die tatsächliche, real existierende Menschlichkeit. Nicht das Aufgesetzte, sondern die unscheinbaren kleinen Gesten der Achtsamkeit. Wenn man alte Freunde trifft, die das ganze Jahr über genau so außer Atem sind, wie man selbst. Wenn sich die Familie, die über das ganze Land verstreut vor sich hin lebt für ein paar Stunden zum gemeinsamen Essen trifft. Wenn man sich umschaut und sich Zeit nimmt für die Geschichten und die Bedürfnisse der Menschen in seinem Umfeld.
Versteht mich nicht falsch, das soll hier nicht ein Abenteuer in Superpathos werden aber so könnte man Weihnachten auffassen, als einen höflichen Appell etwas näher bei sich zu sein und sich etwas mehr Zeit zu lassen und sich etwas mehr Gedanken um seine Mitmenschen zu machen. Das steckt in jedem von uns und wenn es überhaupt so etwas wie ein Wunder in dieser Zeit gibt, dann ist es diese profane, schöne Eleganz der Einfachheit, mit der wir etwas gutes tun können. Nicht mehr und nicht weniger.
Wie gesagt, nur eine mögliche Erklärung.