Arbeitnehmercamouflage

Früher hatte ich eine Menge Freizeit. Seit dem ich nun wieder arbeite kaum noch welche. Ich komm einfach zu gar nichts mehr. Aber ich bedauere das nicht. Gegen Ende meines Arbeitslosendaseins wusste ich eh nichts mehr Sinnvolles mit mir anzufangen.

Regen für diese Woche. Angekündigt vom Wetterdienst, verteilt von der Natur auf die nächsten vier Tage. Möglicherweise sei sogar mit lokalem Bodenfrost zu rechnen, erklärt die Wetterfee eingdringlich. Ich saß im Auto und fuhr aus der Stadt nach Hause. Als ich eines der größeren Dörfer passierte, durch das diese Straße von hier nach noch ein wenig weiter dort draussen führte, wurde ich von einem Staatsbediensteten in Grün herausgewunken. Ein junger Polizist, mitte zwanzig irgendwas vielleicht, kurze Haare, orange reflektierende Warnweste, sehr freundlich, wirklich. „Guten Abend, den Führerschein und ihre Fahrzeugpapiere hätt ich gern.“ Er nahm sie, ging hinter mein Auto, kam keine zehn Sekunden später wieder und fragte prüfend: „Sie kommen von der Arbeit?“ Ich sagte ja, er gab mir meine Papiere zurück und wünschte mir nochmals einen schönen guten Abend. Es regnete und: Es regnete schon sehr lange. Der junge Herr wollte nach Hause und ich auch. Während mein Auto vom Parkplatz rollte, schloss ich das Fenster meines Wagens.

Ein stiller Gedanke, als ich wieder in die Straße einbog: Arbeit verschafft nicht nur Beschäftigung. Arbeit verschafft vor allem Legitimation. Das ist wie eine Zauber-Eintrittskarte, die mir das Camouflage des angepassten jungen Arbeitnehmers attestiert, gepriesener Schimmer des letzten Funkens Zwangsoptimismus in diesem Land. Ich komme nicht vom Strich, von einem „Kumpel“ oder sonstwo her. Ich komme aus der Arbeit. Jung, dynamisch, maßvoll kreativ, hat Arbeit, weil er kommt ja daher, zieht sich vernünftig an und hält seine Karre sauber. Sauberes Vorstrafenregister, sauberes Auto, saubere Kleidung und kommt von der Arbeit. Ohne Häme, aber mit ein wenig Genugtuung, wieder innerhalb dieses eng abgesteckten Bereichs zu sein, fuhr ich nach Hause.

Der Regen prasselte an die Windschutzscheibe. Es wurde spät, die Welt draussen versank nach und nach in nasskalter Dunkelheit. Leider war niemand bei mir, ein wenig Unterhaltung hätte mir hier bestimmt gut getan. Nur in Gedanken saß Max Payne hinter mir. Direkt aus dem Font sprach er mit rauchiger Stimme in mein Ohr. „Life sucks when you are alone.“

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