Wo gesungen wird, da lass dich nieder.

Böse Menschen kennen keine Lieder. Oder vielleicht doch?

Böse Menschen kennen keine Lieder. Oder vielleicht doch?

Dieter BohlenLeider ja. Und das Böse hat einen Namen. Besser gesagt, zwei: Küblböck und Klaws. Zwar ist das Duo-Infernale der Popmusik noch meilenweit entfernt vom presswehenartigen Gesangsstil eines Herbert Grönemeyers (böse) oder den primatenhaften Urlauten einer Band wie Slipknot (sehr böse).

Trotzdem – peinlich penetrant sind die beiden mit ihrem Chart-Geplänkle bereits jetzt. Aber es kommt noch schlimmer. Denn gerade als die Welt begann, aufzuatmen und sich vom disharmonischen Schock der Superstar-Spaßtruppe zu erholen, geschieht das Unvermeidliche. „Deutschland sucht den Superstar“ geht in die zweite Runde. Und für alle, die den Quintenzirkel nicht in der Schublade für Schreibutensilien suchen heisst das: Shock & Awe. Denn gefällig ist, was Quote bringt und da rangiert der Medien-Zuhälter Dieter Bohlen mit seinen Show-Kiddies ganz weit vorne. Einmal selbst ein Star zu sein, mit Groupies, Meets-and-Greets und absolut wasserdichtem Plattenvertrag – ein Kollektivtraum vieler Teenager. Interaktiver Personenkult par excellence. Gecastet wird nach dem Ausschlussprinzip – wer will noch mal, wer hat noch nicht. Und dabei erblicken „Künstler“ das Licht dieser Welt, die ihre Arien besser weiterhin unter der Dusche ungehört verhallen lassen sollten. Das Kuriosum der bunten DSDS-Schau: Die Macher schmücken das Spektakel gerne mit dem Prädikat eines musikalischen Events. Und dabei hätte fast derjenige gewonnen, der am Wenigsten singen konnte – Daniel Küblböck.

Der wurde übrigens zum Brillenträger des Jahres 2003 gekührt. Verliehen wurde der Preis vom Kuratorium „Gutes Sehen“. Wie sollte es auch anders sein. Ein Abgesandter des Kuratorium „Gutes Singen“ hätte sich wohl kaum nach Eggenfelden verirrt. Jedenfalls, genützt hat dem Daniel seine künstliche Intelligenz leider überhaupt nichts. Ob mit oder ohne Brille: Gut singen kann er nachwievor schlecht. Macht aber nichts, denn schlecht singen kann er dafür ganz gut. Vielleicht hilft ihm ja zumindest sein spastisches Gezapple bei den Nahkampfübungen der Bundeswehr, die den Teenager im Dauer-Ecstasy Zustand kürzlich zur Pflicht berief. Küblböck im Kosovo – herrlich, wenn auch gemeingefährlich.

„Sicher,“ wird manch einer hastig einwerfen, „da waren schon ein paar unter den Superstars, die es raus hatten und ganz gut singen konnten. Auch wenn nicht alle Kandidaten ganz frisch im Oberstübchen waren.“ Richtig. Dennoch – einer toppt sie alle: Ex Big-Brother Nobrainer Szlatko. Die zu Fleisch gewordene perfekte Symbiose aus musikalischen und proletenhaften Unvermögen. Der konnte nicht singen UND hatte kein Hirn – wobei wir wieder beim Thema Küblböck wären.

Weiter gehts. Scheinbar suchen alle (geschlossenen) Fernsehanstalten zur Zeit die potentiellen Goldkelchen und Esel von übermorgen und holen nun zum Rundumschlag gegen die RTL’schen Retorten-Superstars aus. So sucht das ZDF die deutsche Stimme, SAT1 begibt sich auf Sternensuche und der Eurovision Song Contest sucht den Sinn. Letzterer ließ an diesem Wochenende die Hunde von Riga von der Leine – nicht minder jaulten sie. Wer es bis zur Auswertung der Punktevergabe durchhielt, war entweder auf ein zu diesem Zeitpunkt zweifellos defektes Hörgerät angwiesen oder ganz einfach sturzbetrunken. Der Grand Prix ohne einen Sicherheitsvorrat an Hochprozentigem? Unerträglich? Schlimmer noch. Verzweifelt, ja fast schon flehend saß ich vor dem Fernseher und wählte die Nummer der Auskunft. „Operator! I need an exit!“ Es half nichts. Die Dame am anderen Ende der Leitung reagierte verstört und legte auf.

Alf PoierEinzig und allein gleich zu beginn der Veranstaltung gab es einen Lichtblick, ein kurzes Aufflackern ernst gemeinter Sinnfreiheit. Der selbsternannte Agent Provokateur Alf Poier, seines Zeichens Anarcho-Comedian aus Österreich, glänzte mit einem fulminanten Auftritt – einer von 26 Beiträgen aus dem Reich des akkustischen Schmerzes. Titel seines Vortrages: „Weil der Mensch zählt.“ Ich wurde ohnmächtig, bevor es überhaupt richtig los ging. Alles in allem war es ein scheußlicher Abend. Mein Kopf schmerzte, obgleich ich nicht einwandfrei ausschließen konnte, ob vom billigen Fusel oder von der billigen Musik. Wahrscheinlich beides. Eines noch: Gott segne den Menschen, der die Mute-Taste erfunden hat.

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