The same procedure as last year?

Die letzten 365 Tage waren ja nicht gerade der Hit. Und so soll es weiter gehen? Falsch, dieses Jahr wird alles gut - versprochen.

Da ist das neue Jahr noch keine Woche alt und ich habe bereits meine erste handfeste Depression. Sie heisst “Beschäftigungsnotstand” – schönes Wort, und gerade jetzt frustriert mich das besonders.

Dinner for oneIch suche einen Job. Das ist eigentlich nichts neues, denn den suche ich schon eine ganze Weile, nachdem mein letzter Arbeitgeber Insolvenz anmeldete und uns vor die Tür setzte. Dies war die zweite Firmenpleite, die ich in Folge miterleben durfte. Meine erste hatte ich mit 22, damals, als wir aus der Obhut der Medienzunft vertrieben wurden. Versteht mich nicht falsch, ich will nicht nörgeln und lamentieren, ach, uns gehts ja so schlecht, alles scheisse, alle doof, alles aus, vorbei, verloren. Diesen Tinnef lass ich unter Verputz. Aber der nächste Typ, der ankommt und zu mir sagt “Hör mal: Jemand, der arbeiten will, findet auch Arbeit.” dem spring ich an den Hals, zieh die Augen aus seinem dümmlichen Kopf und stecke sie ihm in die Unterhose, damit er zusehen kann, wie ich ihm die Eier rausreisse.

Entschuldigt bitte diese rüde Aneinanderreihung roher Kraftausdrücke aber mir stehts echt bis hier. Als ich sechzehn war sagte mal ein Klassenkamerad zu mir: “Junge, du brauchst eine Frau.” Heute bin ich 23 und nun sagt meine Mutter zu mir: “Junge, du brauchst ’nen Job.” Und damals wie heute haben beide so verdammt recht.

So mach ich denn seit Monaten auch nichts anderes. Aufstehen, zum ersten Kaffee am Morgen Stellenanzeigen durchkämmen, Bewerbungen schreiben, warten, warten, warten – Absage. Und das wieder und wieder und immer wieder. Mittlerweile kann ich mit “… tut uns leid” und “… weiterhin viel Erfolg bei ihrer Suche” mein Zimmer tapezieren. Auf Dauer ist das deprimierend, denn scheinbar gibt es immer jemanden, der mehr Glück hat, als man selbst; jemand, der eher gebraucht wird, als als man selbst. Und langsam aber sicher fängt man an, seine eigene Wertigkeit in Frage zu stellen.

Dass ich mit diesen Überlegungen wohl kaum alleine auf dem nahezu leergefegtem Arbeitsmarkt stehe, beweist der Blick auf die Arbeitslosenquote. 2003 war das für München eine ganz heiße Nummer. Auf 6910 offene Stellen kamen im Durchschnitt 70.565 Erwerbslose. Nochmal: 70.565 – das ist nicht nur ein trauriger Rekord, das hieße rund 10 Fleischwarenfachverkäuferinnen kämen auf einen Platz als Fleischwarenfachverkäuferin hinter der Wursttheke z.B. bei Tengelmann. So stelle ich mir die Hölle auf Erden vor. “Darf’s a bisserl mehr sein? Darf’s a bisserl mehr sein? Darf’s a bisserl mehr sein?…”

Aber all das sind Klagen auf recht hohem Niveau – nach unten ist noch eine Menge Platz und wenn Deutschland Dieter Bohlen Actionfiguren braucht, dann kann es uns nicht wirklich schlecht gehen.

Und ganz nebenbei – für mich persönlich hatte die Zeit des Beschäftigungsnotstandes bis jetzt einen gewaltigen Vorteil: Ich konnte mich endlich mal richtig um mich kümmern. Ich hatte Zeit um Sport zu treiben; Zeit für eine ordentliche Maniküre; Zeit, bis um 11 Uhr zu Frühstücken, dabei über die Philosophie des Holzaufschlichtens nachzudenken und all diese Scherze. Gesundheitlich geht es mir blendend, ich bin ausgeruht, ausgeschlafen, die Ringe unter den Augen sind verschwunden und die Sonne scheint mir aus dem Arsch. Wirklich, probiert es doch auch mal – 4,38 Millionen können schließlich nicht irren.

Nichtsdestotrotz: Das neue Jahr beginnt, wie das alte endet – the same procedure as every year; der gleiche Film, die gleiche Leier, der gleiche Mist von vorne. Kein Job, keine Frau aber die Suche geht weiter. Sherry with the soup und gute Vorsätze? Nein danke, die hatte ich bereits letztes Jahr. Ein Tigerfell, ein besoffener Buttler und die Leute lachen sich nackig. Tradition hat eben keine Schmerzgrenze. Und scheinbar auch kein Erbarmen. Skål! 2004, ich bin wieder hier. Oder immer noch? Ach, scheisse.

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