Sometimes love is hiding between the seconds of your life. Tja, und sometimes ist da nicht mehr als das unpersönliche Sekundenzeigerticken der Küchenuhr, das dir mit jedem „Tick!“ links, und mit jedem „Tock!“ rechts ein’s auf die Fresse gibt.
– Lovable Doc Stanley
Im Tagebuch steht: “Ein Vorsatz, eine Abmachung: Wieder jeden Tag schreiben. Regelmäßig, dranbleiben, weil sich das gehört.” Das war am 21. November letzten Jahres und heute ist heute, ein Tag irgendwann Mitte April und bis hierhin ist nicht viel passiert.
Zumindest nicht in dieser Angelegenheit.
Destiny is a fickle bitch, dass das Schicksal eine launische Hündin sei, hat mal jemand behauptet. Das stimmt. Und es lässt sich eins zu eins auf das Schreiben übertragen.
Schreiben, das kann auch eine launische Hündin sein.
Was meine „persönlichen Entwicklungspläne“ betrifft, sind meine Fortschritte glazial. Da muss man doch unweigerlich in Äonen denken.
Seit vier Jahren ein Skript für ein Kinderbuch in der Schublade (wie überhaupt eine Menge anderer Bücher, jaja); Pläne für Barfusslaufseminare, Baumhauspläne für ein eremitisches Leben in den Wäldern British Columbia, wie auch allgemeine Weltzustandsverbesserungspläne. Und jetzt bin ich dreissig Jahre und das Leben geht so dahin, mit jedem Tag, und ich frage mich langsam, wie ich das alles eigentlich noch schaffen will und ob ein Leben dafür überhaupt ausreicht.
Beim Schreiben arbeite ich mit einer Struktur, die ich als hochgradig verfranzt erachte. Ich glaube, das ist eine Beeinträchtigung, aber wahrscheinlich arbeiten die meisten Schriftsteller so: hochgradig verfranzt. ((Das läuft bei mir im Alltag ähnlich. Das Prinzip Schublade z.B. habe ich nie vollständig begriffen. In meinen Schubladen herrscht die ersten Wochen eine ausnahmslos pedantische Ordnung, quasi ein totalitäres Regime auf Schubladenebene, bloß, um dann mit der Zeit nach und nach von einem System maximaler Unordnung abgelöst zu werden. Sagen wir, aus einem strikt assadesken Schubladenordnungssystem entsteht binnen kürzester Zeit etwas, das sich in Summa eher dem entropischen Zustand der Brownschen Molekularbewegung annähert.)) ((Schreibtischoberflächen sehen bei mir im Übrigen nach einiger Zeit ähnlich aus.)) ((Kleiderschränke, Werkzeugkisten und Ordnerstrukturen auf der Festplatte auch.)) ((Ich behaupte ja, Chaos ist das Einzige im Universum, dass ohne zutun entsteht.))
Die Augenblicke, in denen ich meine Gedanken wie einen Laser auf eine Sache fokussieren kann, sind rar. Ich fühle mich verstellt, manchmal gedanklich verkrüppelt, wenn ich nicht länger als 140 Zeichen denken kann. Und immer diese permanente Maximalzerstreuung, die potentiell überall lauern kann, Ubiquitous Computing ((„Rechnerallgegenwart“ ist dafür eine herrlich sperrige Übersetzung)) sei Dank.
Jeden Morgen also ein ähnliches Bild: Schreibunterlagen raus ((Ideenquell ist immer noch ein altes Moleskine-Notizbuch, da bin ich noch sehr anachronistisch)), alle Ablenkungsmaschinen auf taubstumm stellen, Tasse Kaffee, blinkender Cursor, Erwartungshaltung, Geduld.
Nichts.
Noch mehr Kaffee, noch mehr Geduld, dann ein erstes Tippen, ein vorsichtiger Ansatz, ein erster Satz gar? Nein halt, Fehlalarm. Probier’s mit runterzählen, 4 und 3 und 2 und 1, Sprung in’s kalte Wasser.
Nichts.
Geduld haben ist das eine, Ausharren können eine ganz andere Sache.
Und irgendwann kommen doch ein paar Gedanken gekrochen, ich schreib sie auf und knete anschließend die Sätze ((sie haben seit Monaten eher etwas anamorphotisches, etwas eigenwillig unförmiges, um nicht zu sagen widerspenstiges)); eigentlich gute Gedanken, doch rücke ich sie so lange umher, bis sie so verrückt sind, dass sie niemand mehr versteht, nichtmal ich.
Und wer würde so etwas schon lesen wollen?
Etwas literarisches zu produzieren ist eine Form künstlerischen Handelns. Kunst entsteht, wenn einer innere Notwendigkeit Ausdruck verliehen wird. Das behaupte ich jetzt einfach mal so. Und am Produktivsten war ich bis jetzt immer, wenn ich dieser inneren Notwendigkeit, mich ausdrücken zu müssen einfach freien Lauf ließ.
Aber seit vielen Monaten lähmt mich ein seltsam träges Gefühl: das Gefühl, nichts mehr zu erzählen zu haben. Kennt ihr das? Ich gehe schon noch staunend und schauend durch die Welt, denke dies uns das und vor allem jenes, aber es kommt nichts dabei rum.
Vielleicht ist auch mein Anspruch zu hoch, es müsse hinter jedem nächsten Gedanken ein Zauberberg liegen.
Was ich benötige, sind nicht noch weitere Tipps; ist nicht eine neue Grammatik, nicht eine neue Farbenlehre. Was ich benötige ist ein neues Denken.
Eine böse Vorahnung habe ich jedoch:
Dass nicht bloß das Leben mit Geistern, sondern auch das Schreiben Abgeschiedenheit voraussetzt.
Wo ist das Ding hier mit Literatur? Verbockte, verblockte Literatur? Alles eitel und Gedankenschwafelei. Aber: Es rührt sich, wie rührend.
Kommen ‘se! Kommense rein, könn ’se rauskucken!
Aber stolz brauchen ’se auf das noch lang nich sein.