… ging es heute durch die Natur, durch den Wald, über Feldwege. Die Straße lag vor mir und ich hatte keine Plan, wohin ich lief. Ein wenig kam das Gefühl von damals auf: Von hier aus ohne weiteres jeden Punkt erreichen zu können. Herrliches Wetter. Kühl, aber sonnig. Etwas Wind und nicht zu drückende Temperaturen.
Vor ein paar Monaten überschritt ich das erste mal eine für mich damals magische Marke: 30 Minuten am Stück laufen. Während des Laufs achtete ich damals nicht auf die Uhr, sondern konzentrierte mich nur auf meinen Atem. Ich war ganz ohne zeitlichen Druck unterwegs und nahm mir vor, einfach so lange zu laufen, wie ich Lust hätte. Nach einer Zeit verschwand die Anstrengung, ein Gefühl der Leichtigkeit erfüllte mich, das ich damals noch nicht kannte. Als ob mich etwas sanft von hinten anschob. Zuhause angekommen dann die Überraschung. Ohne es gemerkt zu haben war ich über diese 30 Minuten Marke gesprungen, die ich davor so verkrampft nie erreichte. Einfach mal loslaufen, ohne Marken und Ziele und Tabellen im Kopf – das ist befreiend.
Heute lief ich das erste mal länger als 40 Minuten, knapp 10 Kilometer und ebenfalls wieder nur mit dem Vorsatz, einfach so lange zu laufen, wie ich Lust hätte. Als ich mit meinem Lauf fertig war, waren 51 Minuten vergangen. Ein gewaltiger Sprung für mich. Ich ruhte kurz aus und trank fast einen Liter Wasser, bevor ich ins Auto stieg und nach Hause fuhr. Durch meinen Körper schwappte eine Flut Endorphine, ich war absolut „drauf“, aber nicht neben der Kappe. Bewusst, aber halt irgendwie stoned. Ein euphorischer Gemütszustand, ein hammergutes Gefühl.
Während eines Laufs stellen sich bei mir verschiedene Zustände ein. Hier mal eine kleine Zusammenfassung:
Nach 200-500 Metern spielt sich der Automatismus ein. Atmung, Geschwindigkeit, ich finde den richtigen Rhythmus.
Nach 20-25 Minuten: Seitenstechen, Ziehen in den Muskeln, insgesamt alle unangenehmen Gefühle werden Nebensache. Sie sind zwar noch da, ich merke sie nur nicht mehr. Mein Interesse für die Umgebung nimmt ab, mein Gesichtsfeld verengt sich, mein Bewusstsein fokussiert sich ganz auf das Laufen und die Atmung. Wenn ich Einsicht über den Verlauf der Strecke habe, mache ich jetzt manchmal die Augen zu und laufe ein Stück blind. Eigentlich müsste ich jetzt nicht mehr sehen. Die Gesichtsmuskulatur ist ganz erschlafft, meine Augen werden kleiner, sieht vielleicht ein bisschen so aus, als sei ich sehr müde, was aber überhaupt nicht der Fall ist. Ich bin eher sehr entspannt. Ein erstes Hochgefühl stellt sich ein.
Nach 40 Minuten: Nach der veränderten Wahrnehmung, die sich nach 20 Minuten Laufzeit einstellte dachte ich, es würde nichts neues mehr kommen. Heute fand ich jedoch folgendes heraus. Nach 40 Minuten fokussiert sich meine Wahrnehmung noch mehr auf den Körper, sie wird noch etwas „schmäler“. Das ist aber kein beengendes Gefühl, denn gleichzeitig wird das Denken weit. Die Natur, die Umgebung allgemein bleibt jedoch präsent aber die Gedanken liegen irgendwie alle horizontal vor einem, ganz breit gefächert und aufgedeckt wie auf einem Tisch. Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll.
Nach den heutigen 51 Minuten hatte ich den Eindruck, ich könne ewig laufen. Und gegen Ende des Laufs legte ich sogar, rein aus Neugierde mit dem Tempo noch ordentlich zu, ohne dabei ausser Atem zu kommen. Meine Gedanken waren im Fluss und ich war im Einklang mit mir und der Welt.
Das war ein sehr positives, euphorisches Gefühl. Und doch stelle ich gleichzeitig mit Neugierde fest, wie sehr es mich danach verlangt, dieses Gefühl wieder zu reproduzieren. Ich will wieder dorthin zurück. Komme mir ein wenig wie Soran aus Star Trek vor, der wieder zurück in seinen heilsbringenden Nexus möchte.