Bei Deichmann, nahe am Marienplatz fiel mir schon oft ein Didgeridoo-Spieler auf. Auf dem Weg zu meiner Tram lief ich ein paar mal an ihm vorbei, er sitzt dort manchmal in den Abendstunden und spielt auf seinem Instrument. Dieses ist jedoch nicht aus Bambus oder Eukalyptusholz, sondern aus einem zusammengesteckten, grauen Plastikrohr, das sich nach unten hin zweimal verästelt.
Gestern Abend blieb ich fasziniert stehen, stellte meine Einkaufstüten zur Seite und hörte ihm eine ganze Weile zu. Und als er eine kurze Pause machte, erzählte er mir seine Geschichte.
Seine Name ist Mike.
Mike war Systemadministrator bei einem Presse-Unternehmen. Eines Tages entschieden seine Vorgesetzten, Mike als „Sicherheitsproblem“ einzustufen und er wurde auf die Straße gesetzt. Seitdem lebt er dort, mit einem selbstgebastelten Didgeridoo aus Plastik-Abflussrohren. „Die letzten Jahre waren echt hart“, erklärt er. Seine Hartz IV-Bezüge wurden komplett auf Null zusammengestrichen, er lebt von dem, was andere Leute irgendwo übrig lassen. Oder was sie in seine blaue, ausgefranste Gitarrentasche werfen. Mit seinem Crocodile Dundee-Hut und der olivfarbenen Ranger-Weste steht er vor mir wie ein Vorzeige-Aussie, für den ihn viele auch oft halten, das Didgeridoo an seine Schulter gelehnt. „Das Ding hat mir das Leben gerettet.“ Er tippt auf das Plastikrohr. „Ich hätte mir in den letzten Jahren schon ein paar mal die Kugel gegeben. Aber durch den Sound…“, er macht eine Pause, „durch den Sound, durch die Vibrationen, da hab ich immer wieder das Gefühl für mich selbst wiederbekommen.“
Wenn ihn Touristen fragen, ob er aus Down Under käme, dann spricht Mike mit einem derben bayerischen Akzent Englisch, dass er sich tatsächlich ein kleines bißchen nach Australier anhört. „Ich bin Münchner. Und ich bin ein Aborigine. Aborigine heißt »Eingeborener«.“
Wenn er spielt und die Menschen, die vor ihm stehenbleiben ihre Kameras zücken, wird Mike zornig und fängt wild mit seinen Händen an zu gestikulieren. „Na, ich will nicht, dass die Leute Fotos von mir machen und dann irgendwo veröffentlichen. Du kannst gerne den Sound aufnehmen, der ist copyrightfrei, kannst ihn veröffentlichen, wo du willst. Aber ich will keine Fotos von mir, ja? My face is my property. Und ich bin nicht Mr. Facebook oder Mr. Google oder so.“
Ich nehme ein paar Minuten seines Spiels auf. Warum er das alles mache? „Ich bin hier, weil ich den Menschen good vibrations schicke, des kommt leider ned bei allen an. Die meisten gehen weiter aber viele bleiben stehen, machen vielleicht sogar die Augen zu und sind voll in sich drin. Die driften manchmal richtig weg. Und dann quatschen sie mich später an, dass sie das super finden. So wie du. Das gibt mir echt viel, wenn ich sehe, dass ich Menschen damit glücklich machen kann.“
Ich vergaß Mike zu fragen, wie lange er schon das Didgeridoo spielt. Das zirkulative Atmen hat er sich jedoch selbst beigebracht. „Der Sound ist zwar nicht perfekt, aber für so Plastik gar nicht mal schlecht, gell?“
Selten so einen schönen Text gelesen. Der treffender garnicht sein könnt. Hat mich jedenfalls sehr berührt.
Schön übrigens zu sehn, das es noch Menschen gibt die versuchen ohne das „System“ klar zu kommen und sich lieber selbstversorgen als Daten, oder Seele offen zu legen und aus ihrem Leid Profit zu schlagen. Leider stösst´s ja nicht immer auf Verständnis wenn jemand nicht Teil des „Sytems“ sein möchte. Dabei gäb´s dafür soo viel Gründe. Denn mit jedem Stück das wir uns dem „Sytem“ anpassen, geben wir meiner Meinung nach ein Stück Freiheit und Menschenrechte auf. Es ist schon unglaublich, wieviel Kraft wir Menschen trotz großem eigenem Leid noch so entwickeln können. Und sich dann trotzdem hinzustellen und Anderen was Positives geben zu wollen find ich eine spitzen Sache. Da gehört verdammt viel Herz, Mut und Kraft dazu. Ich kann nur sagen dieser Mensch ist jede Münze wert.
„Es gibt nur 2 Fakten in unserem Leben und die sind, wir werden geboren und wir werden sterben“ und jeder hat es selbst in der Hand was er in der Zeit dazwischen macht. Wie möchten Sie gelebt haben? Was für ein Mensch möchten Sie gewesen sein? Wem hierauf keine Antwort einfällt, dem sag ich nur, Zitat: „Ehre hat wer sich selbst Ehre verleiht.“ Wer so wie ich schon oft mit Senioren/Sterbenden zu tun hatte, Der weis am Ende zählt nicht mehr was wir für uns selbst getan haben, sondern was wir für andere getan haben. Es gibt einem selbst mehr die Freude in den Gesichtern anderer Menschen zu sehn, als sich über denn neu gekauften Porsche zu freuen, dessen Gegenwert einen Obdachlosen für mehrer Jahre um die Runden bringen würde. In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen gute Entscheidungen, Liebe und Frieden.